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Gras am Steuer kommt teuer

Polizei steigerte die Dope-Kontrollen bei Autofahrern im vergangenen Jahr um 80 Prozent. Fast 900 Bußgeldverfahren eingeleitet. Schon 2.066 Beamte haben den Kennerblick für erweiterte Pupillen

von PLUTONIA PLARRE

Die Polizei hat ihr Bewusstsein für illegale Drogen am Steuer deutlich erweitert. Die Zahl der Blutkontrollen bei Verdacht von Rauschgift am Steuer ist von 1999 auf 2.000 um 80 Prozent gestiegen. Insgesamt wurden im vorigen Jahr 898 Bußgeldverfahren wegen illegaler Drogen im Straßenverkehr eingeleitet. Die Sanktionen sind deftig. „Selbst beim Nachweis geringster Mengen von Cannabis, Exstasy, Heroin, Morphin oder Amphetamin drohen Bußgelder bis zu 3.000 Mark, Fahrverbote bis zu drei Monaten und vier Punkte in Flensburg“, teilte ein Polzeisprecher gestern mit.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Hauptdroge am Steuer und die Hauptunfallursache im Straßenverkehr ist nach wie vor der Alkohol. Das bestätigt Polizeirat Karsten Schlüter. Aber nicht nur den Trunkenbolden geht es an den Kragen, wenn sie in eine Verkehrssonderkontrolle, im Volksmund „Mausefalle“ genannt, geraten. Im Jahr werden in Berlin immerhin zwischen 6.500 und 7.000 solcher Kontrollen durchgeführt. Auch Kiffer und Konsumenten anderer Drogen werden dabei zunehmend aus dem Verkehr gezogen. Früher durfte ein illegaler Drogenkonsum am Steuer nur dann geahndet werden, wenn eine Fahruntüchtigkeit nachgewiesen wurde. Seit August 1998 reicht der bloße Konsum aus. Im Gegensatz zu Alkoholfahrten, die bis 0,5 Promille sanktionsfrei bleiben, kann ein einziger Zug am Joint zum Entzug des Führerscheins führen.

Um Kiffer, Kokser und Junkies zu identifizieren, werden die Polizisten in Drogenerkennung geschult. „Geweitete oder verengte Pupillen“, so Schlüter, „können ein Hinweis sein.“ Nicht ohne Stolz verweist er darauf, dass die Zahl der geschulten Beamten von 35 (Anfang 1999) auf nunmehr 2.066 stieg. „Ziel ist, dass jeder Schutzpolizist in Berlin ein Drogenerkennungsseminar absoviert hat.“ Wenn der Beamte den Eindruck hat, dass der Autofahrer unter Drogen steht, kommt, laut Schlüter, der so genannte Drugwipetest zur Anwendung. Dazu wird bei dem Betroffenen unter der Achselhöhle ein Schweißabstrich durchgeführt. Wenn sich das Röhrchen innerhalb von zwei Minuten verfärbt, kann er wegen Verdachts der Drogeneinnahme zur Blutabnahme abgeführt werden.

Kritiker wie der Lübecker Strafrichter Wolfgang Neskovic monieren, dass es keinen Grenzwert gibt. Denn Cannabinoide im Blut oder Urin sagten im Gegensatz zum Alkohol überhaupt nichts aus über den tatsächlichen Rauschzustand, weil sie bis zu fünf Wochen nach dem Konsum noch nachgewiesen werden können.

Bei einem 22-jährigen Autofahrer und seinem 16-jährigen Beifahrer, die gestern gegen 2 Uhr morgens gestellt wurden, hatten sich die Beamten von ihrer Nase leiten lassen. Aus dem Auto der Berauschten schlug ihnen ein würziger Cannabisgeruch entgegen. Bei einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei 1,5 Kilo Cannabis.

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