pampuchs tagebuch: Laue Nächte zum wahren Beginn des neuen Jahrtausends
Drei Möglichkeiten hat der moderne Reisende, in Kontakt mit der Welt zu bleiben: Entweder er schleift sein Kistchen mit und fummelt in jedem Hotelzimmer so lange anTelefon und Modem herum, bis er seinen Server gefunden hat, seine mails abholen und neue in die Welt hinausschicken kann. Diese fast schon klassische Methode habe ich in den letzten drei Jahren praktiziert – und auch so manche Kolumne auf diese Weise in die Berliner Redaktionsstube expediert. Die zweite Technik ist etwas für Hasardeure, gewinnt aber (auch bei mir) an Beliebtheit: In fast allen kleinen und großen Orten dieser Welt gibt es inzwischen Internetcafés, die sich freuen, der fremdländischen Kundschaft dabei behilflich zu sein, ihre internationale Korrespondenz zu tätigen und daneben auch noch zu surfen, was das Zeug hält. Das kostet nicht viel mehr als einen Dollar pro Stunde, in den besseren Etablissements wird auch gern noch ein Cuba libre dazu gereicht.
Die Internetcafés haben gegenüber dem etwas autistischen Nachts-allein-im-Hotel-Surfen den Vorteil, dass dabei der Kontakt zur örtlichen Bevölkerung nicht vernachlässigt wird. Manchmal ergeben sich sogar echte Kontakte von Mensch zu Mensch – auf hohem technischen Niveau, denn normalerweise wird in diesen Cafés über nichts anderes geredet als über das Internet und seine Tücken.
Die dritte Methode besteht darin, sich in die Büros freundlicher lokaler Reiseagenturen zu begeben und dort die technische Infrastruktur zu nutzen. Genau diese Premiere feiere ich im Moment in den Oficinas von „Canarias Europa“, einer höchst empfehlenswerten Agentur in Teneriffa. Nicht nur, dass in der kleinen Kaffeeküche dieses Büros der beste Schinken der Welt, „jamon serrano pata negra“ („der ist von Schweinchen, die ihr ganzes Leben nichts anderes essen als Eicheln“), frei zum Naschen herumliegt, Canarias Europa, insbesondere Chefin Ulrike und Mann Alfonso, bemühen sich in jeder Hinsicht rührend um einen.
Genau das aber haben wir auch nötig, denn ich bin hier im Rahmen einer internationalen Freundesgruppe von nicht weniger als 28 Leuten angereist, deren einziger, aber heiliger Zweck es ist, gelegentlich in würdiger und schöner Gegend zu feiern. Diesmal haben wir für das Silvesterfest Santa Cruz auf Teneriffa ausgeguckt, was schon deshalb eine gute Wahl war, weil wir die ganze, wunderbar laue Nacht im Freien zu schöner Latinomusik tanzen konnten. Und außerdem gab es noch ein hüsches Feuerwerk. Diese Woche ist seit langem die erste, die ich ohne Laptop verbringe. Und wäre nicht diese Kolumne, ich hätte einen Computer nicht mal von weitem gesehen. Da viele – auch hier in Teneriffa – kenntnisreich argumentieren, dass eigentlich jetzt erst das neue Millennium beginnt, erscheint mir mein Tun nachgerade richtungweisend: Es gibt nichts Bestes, außer man lässt es.
Ein weiterer Beweis dafür, dass die Jahrtausendwende erst jetzt war, ist übrigens die Tatsache, dass hier bei den lokalen Autovermietungen am 2. Januar die Computer zusammengebrochen sind. Hat er uns doch noch erwischt, der Millennium-Bug! Aber siehe, es geht auch ohne. Die Formulare wurden einfach per Hand ausgefüllt. Und ich habe nicht die Spur eines Computerturkeys. Darum gibt es dieses Mal – der Redakteur dieser Seite möge mir verzeihen – auch keinen Webadressen-Tipp. Aber dafür die Empfehlung, im neuen Jahrtausend einmal pro Jahr eine computerfreie Woche zu begehen. Vorzugsweise im NordenTeneriffas, im direkten Kontakt von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Schinken. In Notfällen helfen Canarias Europa, caneur@ctv.es
THOMAS PAMPUCH
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