: Wahnsinns-Wurst-Party verhindert
■ Verwirrung um den Rindfleischgehalt in der Partywurst: Widersprüchliche Etiketten verunsicherten Oldenburger Mutter / Zu Silvester gab es für die lieben Kleinen nur Käsehäppchen
Zwölf Oldenburger Mädchen wollten Silvester feiern, mit allem drum und dran. Leckere Spießchen sollte es geben, mit prima Cocktailwürstchen. Die hatte Inga noch schnell eben beim „Famila Markt“ in Wechloy eingekauft. Die Zwölfjährige griff beherzt ins Kühlregal, zu „Böklunder“ und ergatterte „44 Partywürstchen“ im Frischhaltepack. Die waren laut Folientext „ohne Rind“. Außerdem versprach der Hersteller, die verwursteten Viecher seien in „D“ geboren, aufgewachsen, geschlachtet. Also „safe“ bis zum Häutchen und mit 4,99 DM zum Sonderpreis.
Das hätte eine knackige Party werden können. Wenn nicht Ingas Mama einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht hätte – dafür sind Mütter ja da. Kontrollieren. Und mit recht. Denn Sabine Nier entdeckte neben den offensichtlich zusätzlich aufgeklebten Verbraucherhinweisen eine Zutatenliste, die neben Schweinefleisch eindeutig Rind versprach. Sie beschloss: Kein Rind fürs Kind.
Nicht Fisch nicht Fleisch sondern Käse wurde nun auf die Häppchen gespießt, zwölf Zwölfjährige feierten fröhlich, dem Rinderwahn noch mal gerade entkommen. Doch Sabine Nier ärgerte sich sehr und rief im neuen Jahrtausend flugs beim Staatlichen Veterinäramt Oldenburg an. Dort beruhigte man sie, man werde alle Zweifelsfälle sofort kontrollieren. Ob ihre Würstchen jetzt dazu gehörten? Damit ist sie bis heute nicht weiter.
Kein Wunder, denn selbst für Rechercheprofis ist diese Frage nicht vor dem Verfallsdatum zu beantworten und muß daher an das Ressort „Glaubensfragen Heute“ verwiesen werden. Denn in der Warteschleife des Famila-Marktes wird die informationsbedürftige Anruferin wie ein Ping-Pong-Ball zwischen Zentrale und Information hin- und hergeworfen. Die Geschäftsführung weiß nichts, in der Fleischeinkaufsabteilung ist der zuständige Herr aber wie immer „heute nicht da“ und der Anwesende nicht zuständig. Der Ball springt zurück zur Zentrale, in die Information, zur Marktleitung. Die ist weder zuständig noch da. Wieder geht's zur Zentrale zurück und schließlich – Glückstreffer – zur Geschäftsführung. Die ist nur leider nicht mehr am Platz.
Immerhin, so berichtet Sabine Nier, nahm der Supermarkt am selben Nachmittag die Objekte detektivischer Begierde zurück, sogar ohne Herkunftsnachweis, sprich Bon. Das gehöre sich auch so, und sei für die Hersteller letztlich ein teures Geschäft, klärt Dr. Jan Coring vom Oldenburgischen Veterenäramt auf. Denn die müssten die Würste dann per Hand aus der Folie lösen, wegen des Dualen Systems. „Daher haben die Produzenten auch kein Interesse daran, ihre Rindfleischware noch loszuschlagen und auch im Fleischsektor gibt es ein gewisses Maß Anstand“. Doch kein Etikettenschwindel? Nein, das sei eine „normale Praxis“. Es komme häufig zu Rezepturumstellungen, für die dann noch keine neuen Etiketten gedruckt sind. Sabine Nier ist damit nicht zufrieden. “Wenn die einen Herkunfts-nachweis in Schwarz-Rot-Gold drucken können, warum dann keine neue Zutatenliste?“
Was sagt man im Schleswig-Holsteinischen Böklund dazu? „Im ganzen Land weiß jedes Kind, dass wir die größten sind“ trällert es in der Warteschleife der Wurstfirma, und ein kleiner Junge sagt fröhlich „meinen Geburtstag feier ich immer bei Opa und Oma auf dem Land, da gibt es abends eine riesige Schüssel voll Böklunder“. Und die sind laut Geschäftsführer Peter zur Mühlen seit dem 17. November 2000 rindfleischfrei. Er bedauert das Etikettendilemma.
Das Veterinäramt Flensburg-Schleswig kommentiert verbraucherfreundlich: „Was soll denn der Scheiß?“ Und dann knapp: „Wir haben keine gegenteiligen Erkenntnisse“. Davon aber weiß Inga nichts. Und was ist nun mit ihren Würstchen? „Die waren bis zum 31. Dezember haltbar, essen hätten wir die sowieso nicht mehr können.“ Ab Werk durften sie noch fünfzehn Tage lang verkauft werden. Also wurden sie nach dem Stichdatum produziert. Doch wie sagt Dr. Corig so schön: “Endgültige Sicherheit gibt es nicht“. Ja, Wahnsinn! Marijke Gerwin
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