: Ecstase im Kofferraum
Prozess gegen zwei Raver aus Köln wegen Vorwurfs des Drogenhandels bei der Love Parade. Angeklagte hatten 961 Ecstasy-Pillen in ihrem im Tiergarten geparkten Wagen
Die fünf jungen Leute in dem VW Santana haben gemacht, was viele Raver tun, wenn sie zur Love Parade nach Berlin kommen. Sie warfen Ecstasy-Pillen ein. Ihr Pech: Das am Rande des Tiergartens geparkte Auto aus Köln fiel der Polizei auf.
„Ich habe gesehen, wie eine hinten sitzende Frau ein Tütchen in der Hand hielt, in dem sich drei Pillen mit betäubungsmittelsuspekter Substanz befanden“, sagte gestern ein Polizist als Zeuge vor Gericht. Die Durchsuchung des Wagens förderte 961 weitere Ecstasy-Tabletten und 105 Gramm Amphetamingemisch sowie ein Elektroschockgerät zu Tage. Der Beifahrer wanderte statt zur Love Parade in Untersuchungshaft.
Der 35-jährige Sozialhilfeempfänger Maic W. muss sich wegen Verdachts des Drogenhandels mit Waffen seit gestern nun vor dem Landgericht verantworten. Mitangeklagt ist der 22-jährige Kfz-Schlosserlehrling Josip V., der den VW gefahren hatte. Gegen ihn war erst im September Haftbefehl erlassen worden. Aber obwohl er die ganze Zeit in seiner Kölner Wohnung lebte und brav seine Lehre fortsetzte, kam nie ein Polizist vorbei, um ihn zu verhaften. Die Kripo nahm wohl an, dass sie ihn sowieso nicht antreffen würde.
Dementsprechend verblüfft war das Gericht gestern, als der in Deutschland geborene Kroate mit seinem Anwalt freiwillig erschien. Der Vorsitzende Richter verkündete ihm sogleich feierlich, dass er nunmehr verhaftet sei. Nachdem beide Angeklagten jedoch ein Geständnis abgelegt hatten und Maic W. die Hauptschuld auf sich genommen hatte, wurde der Haftbefehl gegen den Kroaten am Mittag wieder außer Vollzug gesetzt. Josip V. amtete sichtlich auf.
Maic W. hatte geschildert, dass er die Pillen im Auftrag eines Kölner Disko-Türstehers für 8 bis 20 Mark das Stück bei der Love Parade „verticken“ sollte. Das hatte er bereits bei der Polizei gesagt. Gegen den Türsteher ist inzwischen Anklage erhoben worden. Sich selbst beschrieb der hohlwangige Maic W. als mittellosen, ecstasyabhängigen Raver. In Berlin habe er seinen Freunden je 5 Pillen geschenkt. Den Rest habe er nicht mehr verkaufen wollen, weil er plötzlich Angst bekommen habe.
Das Urteil soll am Donnerstag verkündet werden. Gestern deutete sich bereits an, dass die Angeklagten Chancen haben, mit einem blauen Auge davonzukommen. Denn das in dem Wagen gefundene Elektroschockgerät ist funktionsunfähig. Auf Drogenhandel mit Waffen steht eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren. PLUTONIA PLARRE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen