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Autoklau schafft Freundschaft

■ Zwei schöne Schwulenfilme im Kino: „Like it is“ & „Felix“

1998 hat es Jacques Martineau mit seinem traurigen Aids-Musical „Jeanne“ bis in den Berlinale-Wettbewerb geschafft. Die Gunst der KritikerInnen konnte er aber erst mit seinem nächsten Film erringen. Er drehte ihn zusammen mit einem Freund, Olivier Ducastel, was im egomanischen Regiebusiness, wo es bestenfalls Brüder miteinander aushalten, ein Zeichen für ein freundliches Herz ist. Der Held ist wieder HIV positiv und dann als Maghrebstämmiger auch noch so was wie ein optischer Ausländer. Aber er heißt Felix, der Glückliche, und deshalb können weder der Konkurs seines Arbeitgebers – einer nordfranzösischen Reederei – noch ein lebensgefährlicher Überfall von Fascho-Arschlöchern das weltverliebte, staunende Lächeln aus seinem Gesicht wegzaubern.

Felix trampt nach Marseille. Er ist auf der Suche nach seinem unbekannten Vater. Doch im Unterschied zu amerikanischen Selbstfindungsfilmen, wo Identität nicht ohne Eltern zu haben ist, spielt es am Ende gar keine Rolle, ob er seinen Dad nun findet oder nicht. Statt dessen begegnen ihm Menschen, deren mehr oder weniger drastisch entwickeltes Nervpotential ihm zu gefallen scheint. Reisen fungiert wieder mal als Metapher für grenzenlose Offenheit und so schließt Felix Kurzzeitfreundschaften nicht nur mit attraktiven Männern, sondern auch mit einer alten Frau und einer alleinstehenden Mutter samt Kindern. Eine Konstante gibt es auf seinen Weg quer durch Frankreich: eine TV-Soap-opera. Sie hat den unnachahmlichen Namen „Luxus, Ruhm und Sinneslust“, ist eine Erfindung des Films und pointiert mit ihren wüsten familiären Verstrickungen die Ungebundenheit von Felix nur umso mehr. Und wie bei jedem guten Road Movie wird die Geschichte des Helden irgendwann zweitrangig gegenüber der Magie der Orte im Hier und Jetzt: Rapsfeld, Strand, nächtliche Straße ...

Das Handlungsgerüst von „Like it is“ (1998, GB) hört sich ganz fürchterlich an: Schicker, allseits beliebter Typ aus einer verkoksten schwul-lesbischen Clubszene verliebt sich restlos in einen jungen, unbeholfenen, proligen Box-Novizen. Umso erstaunlicher, dass Paul Oremland daraus einen schönen Film gemacht hat. Weder macht er um das Boxmilieu einen tragischen Raging-Bull-Durchbeißer-Kult, noch stellt er die Clubszene besonders glitzernd, reich und wild dar. Stattdessen zeigt er, dass Menschen die schlechte Angewohnheit haben, sich zielsicher in den ungeeignetsten Mitmenschen zu verknallen, mit dieser Blödigkeit aber gelegentlich klug und redlich umgehen. Nur der Club-Boss wäre in seiner berechnenden Intriganz unerträglich klischeehaft, würde er nicht von The-Who-Sänger Roger Daltry gespielt. Witzigerweise kulminiert in beiden Filmen die Liebe nicht in einer heißen Nacht, sondern im gemeinsamen Autoklau, womit bewiesen wäre, das Klauen ein Akt der Freundschaft ist. bk

„Felix“ im Cinema, „Like it is“ im Kino 46

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