Filmstarts à la carte
: Leiser Krach

■ Mit der Komik von Groucho Marx, seinen absurden Wortspielen und Frechheiten konnte Regisseur Leo McCarey nach eigenem Bekunden nicht viel anfangen - die Marx Brothers als Team befand er gar für völlig verrückt. Also hielt sich McCarey, der zuvor Erfahrungen mit Komikern wie Charley Chase und Laurel & Hardy gemacht hatte, in seiner Zusammenarbeit mit den anarchischen Brüdern an Dinge, die ihm vertraut waren: „Duck Soup“ (Die Marx Brothers im Krieg) dürfte der wohl einzige Marx-Brothers-Film sein, in dem Stan & Ollies Tit-for-Tat-Komik zu Ehren kommt. Dabei klingt der „Plot“ so wahnwitzig und chaotisch wie immer: Rufus T. Firefly (Groucho) wird im Operettenstaat Freedonia zum Premierminister berufen, und bricht einen Krieg mit dem Nachbarstaat vom Zaun - vor allem, weil er das Schlachtfeld bereits für einen Monat im Voraus bezahlt hat. Freedonia siegt zufällig, nachdem Chicolini (Chico), ein Agent Sylvanias, von Firefly zum Kriegsmi-nister ernannt wurde. McCareys Einfluß zeigt sich vor allem im Detail: Zwei Szenen des stummen Harpo mit einem von Edgar Kennedy (ein früherer Co-Star von Laurel & Hardy) gespielten Limonadenverkäufer erweisen sich als Musterbeispiele des „Tit for Tat“ (Wie du mir, so ich dir) und besitzen praktisch keine Verknüpfung mit dem Rest der Geschichte. Eine Sequenz, in der Harpo und Chico in ein Haus eindringen, um dort Geheimpläne zu stehlen, beschwört ebenfalls deutliche Erinnerungen an Stan & Ollie und deren inkompetenten Einbruch in „Night Owls“ herauf. Der Hardy‘ schen Maxime „if you must make a noise, make it quietly“ folgend, weckt Harpo mit allen Arten von Krach sämtliche Bewohner des Hauses. Höhepunkt der Sequenz ist die stumme „Spiegelszene“, in der sich Groucho und der als Groucho verkleidete Harpo als vermeintliches Spiegelbild gegenüberstehen. Seinerzeit ein arger Flop, gilt „Duck Soup“ heute als bester Film der Marx Brothers, weil sich ihre anarchische Komik hier ungestört von romantischen Subplots und musikalischen Zwischenspielen entfalten konnte - auch dies zweifellos ein Verdienst ihres unwilligen Regisseurs.

„Die Marx Brothers im Krieg“ 12.1. im Arsenal

■ Aus John Hustons Phase der Farbexperimente stammt „Moulin Rouge“, eine fiktionalisierte Biografie des Malers Henri de Toulouse-Lautrec. Mit Filtern und Weichzeichnern versuchten Huston und sein Kameramann Oswald Morris dem Technicolor jene pas-tellartigen Farbtöne abzuringen, die Welt des Malers auf dem Montmartre des ausgehenden 19. Jahrhunderts bestimmten.

„Moulin Rouge“ 12.1. im Bali

■ Film im Film: In „Die amerikanische Nacht“ schildert François Truffaut jene kleinen und großen Probleme, die einem Regisseur die Dreharbeiten versauern können: verliebte und neurotische Darsteller, hysterische und betrunkene Schauspielerinnen, ein tödlich verunglückender Star. Und ein Kätzchen, das nicht vor der Kamera trinken will. Welche Farbe soll der Sportwagen haben und welchen Revolver nehmen wir? „Der Regisseur ist ein Mann, dem man unaufhörlich Fragen stellt. Manchmal kennt er die Antwort, aber nicht immer.“ So charakterisiert der von Truffaut selbst verkörperte Regisseur Ferrand sein Metier. Scheinen die Dreharbeiten bei Truffaut/Ferrand trotz aller Schwierigkeiten geradezu märchenhaft leicht voranzukommen, so kommt der Film des Regisseurs Guido Anselmi in Federico Fellinis „8 1/2“ erst gar nicht zustande. Auch Fellinis Alter Ego Guido wird mit Fragen bestürmt, hat jedoch überhaupt keine Antworten. Bei einem Kuraufenthalt, gequält von seinen Beziehungs- und Schaffenskrisen, flüchtet sich Guido deshalb in Wunschträume und Kindheitserinnerungen: eine Fellini-spezifische Mischung aus Katholizismus, sexuellen Fantasien und Schuldgefühlen mit Zirkusatmosphäre.

„Die amerikanische Nacht“ 12./13.1 im Filmkunsthaus Babylon (Studiokino); „8 1/2“ 11.-5.1. im Checkpoint

Lars Penning