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vorlaufWer nippt da?

My Way – James Last

(22.15 Uhr, SWR)

Könnte ja sein, dass jemand, an die 60er und 70er denkend, an das Revival längst totgeglaubter und -getretener Arrangeure deutscher Unterhaltungsmusik, an das Verdienst eines Peter Thomas etwa, in diese Dokumentation hineinschaltet.

Nur um zu erfahren, ob man auch aus James Last einen Helden der Schlaghosen und Retro-Welle machen, ihm verzeihen, aber ihn gleichzeitig neu entdecken kann.

Die Hamburger HipHop-Band „Fettes Brot“ hatte das versucht, hat den alten Haudegen des Happy Sounds (208 Goldene, 14 Platin, über 75 Millionen verkaufte Tonträger) für einen Song gecastet: „Ruf mich an“ war ein mediokrer Hit für das Trio, bass erstaunt konnte man den 71-Jährigen im dazugehörigen Video im Hintergrund nippen sehen.

Und „Nippen“, das war das Erste, was ihr an ihm aufgefallen sei, erzählt Lasts neue, junge Frau Christine in der Doku von Thomas Schadt. Und meint damit nicht etwa das Am-Glas-Nippen, sondern das komische, unmusikalisch aussehende Herumzucken, mit dem sich Last als Bandleader seinen Platz in der kollektiven Vergangenheit der Fernsehgeneration verewigt hat. Schadt, erschreckend humorlos und genauso erschreckend dilettantisch, hat mit diesem Nippen-Geständnis auch schon den Zenit seiner huldigenden Dokumentation erreicht. Der Rest sind unglaublich schlechte Offener-Kanal-artige Bilder von Lasts letzter Deutschlandtour 1999, die nur beweisen, was man schon ahnte:

Auch wenn „Fettes Brot“ so nett waren, den Mann ein paar hübsche Bläser arrangieren zu lassen (das kann er unbenommen!), auch wenn die Szenen verzückter Gichtpatienten beim Armewedeln etwas Süßerweckungsgottesdienstmäßiges haben, auch wenn Last selber ein recht sympathisch vor sich hin murmelnder, vitaler Bremer ist, der sogar den einzigen wirklichen Witz des Films selbst macht (Last beim Haareföhnen im Hotelzimmer trocken: „Drei Haare, so viel Aufwand!“), trotzdem: James Last ist nicht cool. Sondern vergreift sich, wie zwei nachreisende britische Groupie-Ehepaare im Greisenalter begeistert erklären, an „Musik, die man sonst nicht hören würde“.

Er mache Klassik und Pop einfacher, sodass sie jedem gefällt. Schlimm genug. Millionen Fliegen können eben doch irren. JZ

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