: Der Wahnsinn bleibt ihr erspart
Die SPD-Rentenexpertin Ulla Schmidt muss sich in ein neues Feld einarbeiten – als Gesundheitsministerin. Die gelernte Sonderpädagogin muss jetzt den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen schaffen
BERLIN taz ■ Mit sensiblen Themen hat sie Erfahrung. Als Ulla Schmidt vor fünf Jahren forderte, dass sich Männer mehr an der Hausarbeit beteiligen sollten, und dies auch im Gesetz stärker verankert sehen wollte, erntete sie heftigen Protest. Die SPD-Bundestagsabgeordnete wolle Männer zur Hausarbeit zwingen, schlagzeilte die Bild-Zeitung. Die männliche Hälfte der Republik johlte. Schmidt staunte damals noch über die Macht der Presse. Inzwischen dürfte sie dazugelernt haben – und so lustig wie damals wird es nicht mehr werden.
Ulla Schmidt wird die neue SPD-Gesundheitsministerin, Nachfolgerin der zurückgetretenen Grünen Andrea Fischer. In diesem Amt gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder scheitern oder pragmatisch über die Runden kommen. Und Letzteres gilt schon als politischer Erfolg.
Schmidt, von der Ausbildung her Pädagogin für Lernbehinderte, hat gewisse Aussichten, mit dem Lobbyismus der Ärzte- und Pharmaindustrie umgehen zu können. Der Grund: Die ganz harten Themen sind vorerst vom Tisch. Fischer machte sich mit ihrer Budgetierung der Gesundheitskosten die Ärzte- und Pharmalobby zum Feind. Doch diese Gesetze sind durch. Schmidt muss jetzt vor allem den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen bewältigen. Die Billigkassen mit den jungen, gesunden Versicherten sollen mehr Geld an die teuren Kassen zahlen, in denen vor allem RentnerInnen und chronisch Kranke bleiben.
Zwischen unterschiedlichen Interessen zu vermitteln hat die 51-Jährige zuletzt in der Rentenpolitik gelernt. Als stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende für die Bereiche Arbeit und Soziales war Schmidt federführend damit beschäftigt, die Mängelrügen an der Rentenreform unter einen konzeptionellen Hut zu bringen. Die Abschaffung des unsinnigen Ausgleichsfaktors in der Rentenreform geht auf ihr Konto.
Davor war Schmidt als Bundestagsabgeordnete von 1991 bis 1998 Vorsitzende der SPD-Querschnittsgruppe „Gleichstellung von Mann und Frau“. Als Frauenpolitikerin aber hätte sie den Aufstieg ins Gesundheitsministerin wohl kaum geschafft. Erst ihr Geschick in der Rentenpolitik gilt als Grund dafür, dass Kanzler Schröder die als lebensfroh und direkt geltende Schmidt für „ministrabel“ hielt. Schon als vor einigen Wochen der Stuhl von Arbeitsminister Riester zu wackeln schien, war die gebürtige Aachenerin und Mutter einer Tochter als Nachfolgerin des Rentenministers im Gespräch.
Nun wechselt sie ins Gesundheitsministerium und damit in ein Feld, von dem sie bislang kaum Ahnung hat. Eine Erleichterung bekommt sie aber: Für Verbraucherfragen und damit auch für BSE ist die neue Landwirtschaftsministerin Renate Künast zuständig. Dieser Wahnsinn zumindest bleibt Ulla Schmidt erspart. BARBARA DRIBBUSCH
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