: Begeisterter Bürgeramtsmensch
■ Vom Beirat zum Ortsamt zum Bürgeramt: Da soll sich einiges ändern / Die Pläne erklärt Staatsrat Kuno Böse von der CDU
In Berlin wurde zum Jahreswechsel 2001 eine große Reform der Bezirke durchgeführt. Dort haben die Bezirke nun Rechte bekommen, von denen die Beiräte in Bremen eigentlich nur träumen können. Mitgestaltet hat diese Reform in Berlin seinerzeit auch Kuno Böse, der inzwischen seit einigen Monaten als Staatsrat im Bremer Innenressort arbeitet. Die taz sprach jetzt mit ihm über seine Erfahrungen aus Berlin und die Neustrukturierung bei Beiräten und Ortsämtern in Bremen.
taz: Im Vergleich zur Bezirksreform in Berlin. Was halten Sie von den geplanten Beiratsreform?
Kuno Böse, Staatsrat für Inneres: Berlin und Hamburg kann man da nicht mit Bremen vergleichen. In Bremen haben die Beiräte eine ganz wichtige Funktion. Als ein Organ, wo sie Bürgerwillen aufnehmen und auch weitertransportieren und beraten. Diese gewachsene und von den Bürgern angenommene Struktur sollte man nicht ohne Not verändern.
Dabei gibt es in Bremen Beiräte und Ortsämter von ganz unterschiedlicher Größe, die man wie in Berlin zusammenlegen könnte. Das Ortsamt Strom vertritt zum Beispiel ein paar hundert Menschen.
Ja, aber in Berlin gibt es natürlich andere Größenverhältnisse. Die neuen Bezirke haben alle um die 300.000 Einwohner. Bremen ist so fürchterlich größer nicht. Bei 550.000 Einwohner ist es glaube ich nicht notwendig, Bezirke zu gründen. An Beiräten sind es 22. Das ist allerdings schon eine relativ hohe Zahl.
Im Gegensatz zu Berlin klagen hier die Beiräte über viel zu wenig Rechte?
Sie können die Beiräte nicht mit den Bezirken vergleichen. Dort sind die Beiräte nicht nur ein Bezirksparlament, sondern auch Teil der Verwaltung. Aber mit dem Frust ist das so eine Sache. Ich kann mich an eine Sitzung erinnern, wo Senator Schulte langjährige Beiratsmitglieder ausgezeichnet hat. Da hab ich was ganz anderes gehört – nur positive Äußerungen.
Auf Beiratssitzungen hören Sie oft das Gegenteil. Da wird gestöhnt, dass die Deputationen sie nur zur Kenntnis nehmen ...
Ich habe hier auch schon das Gegenteil erlebt, dass nämlich in der Innendeputation gefragt wurde: Ist das denn auch abgesprochen mit dem Beirat. Man kann das andere sicherlich nicht ausschließen. Aber ich will nicht generell sagen, dass die Meinung der Beiräte nicht gehört wird. Das Modell in Bremen hat sich schon bewährt.
Im Vergleich mit anderen Städten zeigte sich, dass Bremen ein Demokratie-Defizit hat.
Von Stadtteildemokratie halte ich sehr, sehr viel. Aber in der Untersuchung wurden Äpfel mit Birnen zu verglichen. Duisburg in einem Flächenstaat wie Nordrhein-Westfalen kann man nicht mit Bremen vergleichen. Da gibt es natürlich eine ganz andere Verfassung und Entfernung zum Landesparlament.
Gibt es denn Ansätze, die man vom Stadtstaat Berlin auf Bremen übertragen kann?
Das schließe ich nicht aus. Mir fällt nur im Moment kein Beispiel ein. Andersherum gibt es in Berlin unterhalb der Bezirke die Kieze. Das ist im Grunde die kleinste Einheit, für die in Bremen ein Beirat zuständig ist. In Berlin haben wir festgestellt, dass es notwendig ist, in diesen Kiezen eine Vertretung der Bürger zu haben. Sie werden lachen: Da haben wir nach Bremen geguckt und gesehen, die haben solche Beiräte. In Bremen läuft das. Da gibt es eine soziale Vernetzung von Bürgerbedarf, Bürgerbegehren und Informationsweitergabe. In Berlin hat man darüber geredet, so genannte Kiez-Beiräte zu schaffen.
Was soll in Bremen mit den Ortsämtern passieren?
Es gibt eine Staatsrätelenkungsgruppe, in der wir überlegen, was wir verbessern können. Wir könnten Dienstleistungsange-bote in Bürgerzentren zusammenfassen, damit der Bürger nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen muss. Nicht der Bürger soll laufen, sondern die Akten. Das ist für mich ein ganz spannendes Thema. Ich bin ein begeisterter Bürgeramtsmensch, und da sind wir in Bremen sehr, sehr weit. Diese Kombination aus Beirat und Bürgerzentren fände ich eine ideale Lösung für diese Stadt.
Bürgerzentren statt Ortämter?
Ich will mal diese Begrifflichkeiten lassen. Das führt sofort zu der Diskussion: Bleiben die Ortsämter wie bisher bestehen oder werden sie zusammengelegt? Diese Diskussion halte ich gegenwärtig nicht für sinnvoll. Die Anzahl ist noch nicht diskutiert und nicht entschieden. Wir wollen aber eine Verbesserung des Dienstleistungsangebotes für den Bürger. Vielleicht kann es das auch im Einkaufszentrum geben, im Weserpark, wo die Leute sowieso hingehen. Da wird der Bürger auch als Kunde betrachtet. Dort soll er ein Palette von Verwaltungsdienstleistungen angeboten bekommen: Meldeangelegenheiten, Pass, Führerschein, KfZ, vielleicht kann man noch Angebote aus den Bereichen Bau und Soziales andocken. Das wäre für mich ein Modell, das in der Fläche umgesetzt werden könnte.
Noch einmal zurück zu den Beiräten: Das Eckpunktpapier der Koalition, ist das das Ende der geplanten Reform?
Ich kann als Verwaltung ja nicht eine Beurteilung der Parlamentsarbeit vornehmen. Das will ich auch nicht. Aber ich glaube, es ergibt sich aus der Natur der Dinge, dass Verbesserungen immer möglich sind. So eine Diskussion ist nie abgeschlossen.
Fragen: Dorothee Krumpipe
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