„Schröder hat sich auf Rot-Grün festgelegt“

Thomas Bichler, Landeschef der Grünen in Sachsen-Anhalt, über das grüne Lachen nach der Regierungskrise, die Sorgen der Partei sowie zur Frage, ob eine Landwirtschaftsministerin Ahnung von der Landwirtschaft haben muss

taz: In Deutschland geht der Rinderwahnsinn um. Er hat schon zwei Minister dahingerafft. Die Regierung befindet sich in einer Krise. Und die Grünen strahlen übers ganze Gesicht. Können Sie das erklären?

Thomas Bichler: Wir strahlen nicht übers ganze Gesicht. Wir haben mit Andrea Fischer eine gute Ministerin verloren – kein Grund zur Freude. Aber in dieser ernsthaften Situation stehen wir mit dem neuen Ministerium für Verbraucherschutz und Landwirtschaft gut da.

Warum das?

Weil die Ökologisierung der Landwirtschaft, der Erhalt der Natur, der Schutz der Verbraucher ein urgrünes Thema ist.

Aber auch eines, an dem man sich die Zähne ausbeißen kann.

Ja. Man kann damit aber auch Punkte machen. Ich sehe das neue Ministerium eher als große Chance für uns. Wir befinden uns damit im Zentrum unseres eigenen Politikverständnisses.

Warum nehmen die Grünen dann nicht die fachlich beste Frau für diesen Job?

Die Entscheidung, dieses Zukunftsministerium mit einer grünen Spitzenpolitikerin zu besetzen, ist absolut richtig. Renate Künast wird eine sehr erfolgreiche Ministerin sein. Sie geht mit einer ungeheuren Präzision an Probleme und Konflikte heran.

Und das reicht in diesem Knochenjob?

Muss ein Postminister Postbote gewesen sein? Ein Minister braucht vor allem politische Erfahrung, und die hat Künast.

Wäre Bärbel Höhn die bessere Wahl gewesen?

Man sollte Künast und Höhn nicht mit der Frage ausspielen, wer von beiden die Bessere ist. Seien wir froh, dass wir mehrere Frauen haben, die auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes jetzt Druck machen können. Auch in den Ländern ist das eine wichtige Aufgabe.

Die Grünen hatten mit Künast und Kuhn seit Jahren das erste gute Führungsduo. Und jetzt tut die Partei gerade so, als hätte sie mehr als genug davon.

Als Partei haben wir jetzt ein Problem, das ist richtig. Aber das müssen wir in Kauf nehmen.

Wer sollte neue Parteivorsitzende werden?

Es hat keinen Sinn, jetzt über Namen zu spekulieren.

Wie so oft scheitern mehrere potentielle Kandidaten für den Parteivorsitz an den Prinzipien Doppelspitze, Frauenquotierung sowie Trennung von Amt und Mandat. Sollte man eines davon über Bord werfen?

Die Doppelspitze und die Frauenquote haben sich politisch bewährt. Daran sollte man festhalten. Über die Trennung von Amt und Mandat sollte man nochmal nachdenken. Es ist möglich, ein Mandat und eine Parteifunktion miteinander zu verbinden. Die Grünen dürfen ihren qualifiziertesten Leuten nicht verbauen, Parteichef zu werden.

Sollte eine Frau aus dem Osten in die Parteispitze?

Es muss nicht unbedingt eine Ostdeutsche sein. Aber die neue Vorsitzende sollte die strukturellen Probleme im Osten kennen. Und es wäre schön, wenn es nicht schon wieder jemand aus Baden-Württemberg ist.

Glauben Sie, Gerhard Schröder freut sich, dass die Grünen jetzt ein Problem haben?

Der Verbraucherschutz ist eine strategische Chance für die Grünen. Warum wohl hat Schröder uns diese Chance eröffnet?

Warum?

Weil er sich festgelegt hat: Er will über 2002 hinaus mit den Grünen zusammenarbeiten. INTERVIEW: JENS KÖNIG