: Wird gerettet werden?
Schwelende Finanzkrise der Stadtteilkulturzentrn im Bezirk Mitte: Der Kulturpalast im Billstedter alten Wasserwerk könnte nur die Vorhut und Teil eines konzeptionellen Problemkomplexes sein ■ Von Petra Schellen
Lange ists her, seit sich Idealis-ten in den stetig anonymer werdenden Großstädten aufmachten, nicht auf Wort und Tat der jeweils Herrschenden zu vertrauen, sondern an der Gestaltung ihrer Stadtteile selbst mitzuwirken. Denen es ein ernst gemeintes Anliegen war, ihrer näheren Umgebung ein Gesicht zu geben und die räumliche Nähe durchaus als Argument für verstärktes Engagement empfanden. Die sich nicht abfanden mit der Tatsache, dass Großstadt oft gleichgültiges Nebeneinander bedeutet und die dem hehren Motto „Identifikation mit der geographischen Umgebung“ konkret Sinn verleihen wollten. Idealistisch waren sie, voller Engagement agierten sie; auf den Pfennig zu achten, Preis und Leistung gegeneinander aufzurechnen war nicht ihr Begehr.
Engagiert starteten sie, etwa 1992 im Kulturpalast im alten Billstedter Wasserwerk, den Aufbau eines umfassenden Kursangebotes, suchten das Gebäude unter Höchsteinsatz privater Zeit und Arbeitskraft zu einem attraktiven Zentrum umzufunktionieren. Und siehe, es gelang, das Wunder: Von rund zwölf auf gut 40 Prozent der Gesamtfinanzierung wurden die Eigeneinnahmen zwischen 1992 und 1999 gesteigert; so konnte dem ökonomischen Druck – entstanden durch Einfrieren der städtischen Zuschüsse seit 1996 – zunächst erfolgreich Paroli geboten werden.
Doch 1998 wandte sich in Billstedt das Blatt: Abwärts gings mit der wohl beleumundeten Gastronomie, als der Betreiber wechselte, langfristig erfolgreich verpachten ließ sich der 30 Sitzplätze bietende Betrieb auch nicht, wie die verbliebenen Engagierten in der Folgezeit erfahren mussten. Das Resultat des sich langsam anstauenden Defizits: Eintrittspreise mussten erhöht werden, so dass sozial Schwächere durch die Maschen fielen, und eine ganz neue, nie gewollte Akzeptanz-Diskussion brach los, wobei die Beteiligten wohl wussten, dass all dies Ergebnis der Großstadt-internen Event-Konkurrenz war. Auch ist bekannt, dass „Regionalisierung“, sprich Stadtteilanbindung allein (noch) nicht (wieder) als Argument für den Besuch von Veranstaltungen ausreicht.
Und so trat ein, was niemand gewollt hatte: Ein Defizit von 36 000 Markt droht sich im Jahr 2001 anzusammeln, das ohne Krisenüberbrückungsgelder noch in diesem Jahr den Konkurs des Kulturpalasts bedeuten kann. Grund genug für einen Verzweiflungsakt: den Antrag an die Kulturbehörde, der jetzt im Kulturausschuss diskutiert wurde, die jährlichen Fixkosten künftig durch staatliche Fördermittel zu gewährleisten und dem Kulturpalast Unterstützung zu bieten, bis – aufgrund baulicher Veränderungen – die dann erweiterte Gastronomie wirtschaftlich unabhängig und gewinnträchtig wird arbeiten können.
„Die Kulturbehörde ist willens, mit dem Kulturausschuss zusammen eine Lösung für Billstedt zu finden“, betonte angesichts dieser Lage Volker Plagemann, Fachreferent der Kulturbehörde, der aber mit der Leitung des Zentrums bislang noch keinen Gesprächstermin gefunden hatte und Details daher noch nicht vorlegen konnte. Denn dass das Zentrum, wie im Fall unterbleibender Hilfe prognostiziert, Konkurs würde anmelden müssen, wolle niemand. Erwägenswert sei eine Beschleunigung der Baumaßnahmen, was auch eine frühere finanzielle Konsolidierung des Kulturpalasts zur Folge haben werde, erklärte Plagemann. Der Kulturausschuss seinerseits will ein Konzept zur Sponsorengewinnung er-stellen.
„Die Eintrittspreise etwa können nicht weiter erhöht werden, wenn das Zentrum auch nur entfernt seinem sozialen Auftrag gerecht werden will“, betonte auch Ausschussmitglied Ingrid Plica; überhaupt sei der erwirtschaftete Eigeneinnahmenanteil von 40 Prozent „absolut hitverdächtig“, wie das Antragspapier des Kulturpalasts betont. Dass in Zukunft, auch nach Ablauf des bis 2002 laufenden Konsolidierungsprogramms des Senats, keine üppig sprudelnden Gelder zu erwarten seien, verhehlte Plagemann allerdings nicht: „Diese Zeiten sind endgültig vorbei, und die Zentren sind ja im Allgemeinen mit den zwar eingefrorenen, aber immerhin nicht reduzierten Geldern einigermaßen zurechtgekommen.“
Eine grundsätzliche strukturelle Schwäche der Kulturzentren leugnete er; die Billstedter Krise sei ein Einzelfall und rein personell bedingt. Eine gewagte These, denn bei näherem Hinsehen ließe sich vielleicht doch manch strukturelles Defizit hinter dem hier exemplarisch diskutierten Problem vermuten, dem sich bald auch andere Zentren – ein Defizit werden im Bezirk Mitte auch die Stadtteilinitiative Hamm und der Kulturladen St. Georg erwirtschaften – gegenüber sehen könnten: der schwindenden Bereitschaft der Mitarbeiter, durch stetig gesteigertes persönliches Engagement Kürzungen aufzufangen um dem weiter wachsenden Druck des Marktes standzuhalten, gegen den auch die Politik, wie ihre Vertreter stetig beteuern, nicht mehr anagieren kann und den die Engagierten nicht verschuldet haben. Vielleicht also lauert hier doch eine tiefer gehende konzeptionelle Diskussion, die neu geführt werden muss und die in der Frage gipfet, ob ein Erlahmen des Engagements durch Überlastung auf Dauer wirklich hinzunehmen ist.
Die Suche nach Schuldigen taugt nicht viel in dieser Debatte, der Austausch individueller Befindlichkeiten kratzt auch nur an der Oberfläche – denn irgendwann werden sich Mitarbeiter und Nutzer der Stadtteilkulturzentren darüber klarwerden müssen, ob sie in aalglatter Dienstleistungsmentalität verharren wollen oder ob sie bereit sind, Lasten wieder auf mehr Schultern zu verteilen. Ob etwa die Besucher der Zentren auf Dauer motiviert genug sind, tatkräftig mit anzupacken, um die Trennung zwischen „Dienstleistern“ und „Kunden“ wieder aufzuheben und so auf einer neuen, post-neoliberalen Ebene neu zu beleben, was vor Jahren so idealistisch begann.
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