Harte Strafen für Reformer in Iran

Die Konservativen schlagen zurück: Das Teheraner Revolutionsgericht schickt sieben Teilnehmer einer Berliner Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung bis zu zehn Jahre hinter Gitter. Die Verurteilten werden von Teilen der Bevölkerung als Helden verehrt

von FLORIAN HARMS

Jetzt ist es heraus: Keine Gerüchte mehr, keine versteckten Anspielungen, keine Geheimhaltung. Die konservative Nomenklatura Irans scheint den offenen Machtkampf mit den Reformern zu wollen, und sie hat jetzt zu einem möglicherweise entscheidenden Schlag ausgeholt. Am Wochenende hat das Teheraner Revolutionsgericht die Urteile gegen sieben Teilnehmer einer vergangenen April in Berlin tagenden Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung verkündet. Die Strafen sind so hart, dass sie eines deutlich zeigen: Die konservative Geistlichkeit Irans fühlt sich existenziell bedroht vom Reformkurs Präsident Mohammad Chatamis. Und sie ist fest entschlossen, dessen liberale Politik endgültig zu zerstören.

Seit Oktober mussten sich 16 Teilnehmer der Konferenz, die alle dem iranischen Reformerlager angehören, vor Gericht verantworten. Ihr Vergehen: Sie hatten sich in Berlin für mehr Demokratie und eine Trennung von Staat und Religion in ihrem Heimatland ausgesprochen. Größere Beachtung in den Medien fand dieses „Gipfeltreffen der iranischen Reformer“ aber erst, als radikale Exiliraner die Konferenz mit massiven Protesten sprengten. Die Fernsehbilder einer „Tod der islamischen Republik!“ skandierenden Menschenmenge gingen um die Welt. Das war zu viel für die konservativen Mullahs um Ajatollah Ali Chamenei, das religiöse Oberhaupt Irans. Die Konservativen haben die iranische Justiz fest in ihrer Hand.

Am härtesten hat es jetzt Akbar Gandschi getroffen. Der streitbare Publizist, einst strammer Zögling Ajatollah Chomeinis, inzwischen zum inoffiziellen Chefankläger der iranischen Diktatur gewandelt, wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Anschließend wartet eine fünfjährige Verbannung in ein südiranisches Dorf auf ihn, durch die er von den Protestaktionen der Reformer, die in den großen Städten Irans stattfinden, komplett abgeschnitten wäre.

Auch die beiden Dolmetscher Said Sadr und Chalil Rostamchani wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Ihr Vergehen: „staatsfeindliche Aktivitäten“. Diese Begründung reicht in Iran für zehn bzw. neun Jahre Knast. Ali Afschari, ein Führer der Studentenbewegung, soll fünf Jahre hinter Gitter, der Journalist Esatollah Sahabi viereinhalb Jahre. Zu vier Jahren Gefängnis wurden die beiden Frauenrechtlerinnen Mehrangis Kar und Schahla Lahidschi verurteilt. Ihre Forderungen nach mehr Rechten für iranische Frauen waren auf der Berliner Konferenz mit Standing Ovations bedacht worden. Als Sensation wurde bewertet, dass Mehrangis Kar demonstrativ ihr Kopftuch abnahm.

Alle Verurteilten werden in großen Teilen der iranischen Bevölkerung, die mehr Demokratie und Säkularisierung wünschen oder ganz einfach des verknöcherten Regimes überdrüssig sind, als Volkshelden verehrt. Die konservative Justiz muss sich bewusst gewesen sein, dass derart harte Urteile zu Protesten führen können – wie schon in den Jahren 1998 und 2000, als Studenten durch tagelange Demonstrationen das konservative Regime in eine Legitimitätskrise stürzten. Wenn der Justizapparat jetzt dennoch so hart urteilt, deutet das darauf hin, dass Chamenei und seine Gefolgsleute im internen Kampf um die Macht in Iran keine Rücksichten mehr nehmen.

„Wir erleben jetzt die beste Zeit seit Bestehen der Islamischen Republik, wir planen die Zukunft des Iran“, hatte Alireza Alavitabar, Chefredakteur der inzwischen verbotenen größten iranischen Reformerzeitung, Sobhe Emrouz, im Interview mit der taz gesagt. Das war im vergangenen April. Nach den Urteilen vom Wochenende scheint diese Zeit schon wieder vorbei zu sein.