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Halb Europa im BSE-Taumel

In Deutschland diskutieren Politiker den Umgang mit den Rindern, Großbritannien untersucht die Kuhmilch als Übertragungsweg, und Italien hat sein erstes BSE-Rind. Weiterer Verdachtsfall in Baden-Württemberg stammt aus Österreich

von MAIKE RADEMAKER und MICHAEL BRAUN

Auch am Wochenende sorgte der Rinderwahn BSE in mehreren europäischen Ländern für Unruhe. Während in Deutschland Politiker und Bauern um die Massenschlachtungen stritten, wurde in Italien nach der Pflichteinführung der BSE-Tests das erste infizierte Tier gefunden. In England untersuchen Forscher zukünftig auch Milch als möglichen Übertragungsweg von BSE.

In Deutschland versucht Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die Aufmerksamkeit von seiner Gesundheitsministerin Barbara Stamm und dem Landwirtschaftsminister Josef Miller (beide CSU) abzulenken. Stoiber lehnt die geplante Verbrennung von 400.000 Rindern in Deutschland ab. Stattdessen sollen die Tiere von der EU gekauft, untersucht und einwandfreies Fleisch gelagert werden. Rücktrittsaufforderungen des SPD-Fraktionschefs Peter Struck für seine umstrittenen Minister lehnt Stoiber bisher ab.

Sein Landwirtschaftsminister bekommt dabei nicht nur Druck von der SPD, sondern auch von dem Futtermittelhersteller deuka. Die Firma will sich mit rechtlichen Schritten gegen ein Verkaufsverbot wehren, das Miller verhängte, weil Tiermehl in ihrem Futtermittel gefunden worden ist. In Baden-Württemberg gibt es einen weiteren BSE-Verdachtsfall. Die Kuh aus Sigmaringen kam nach derzeitigem Erkenntnisstand im November aus Österreich und wurde am vergangenen Freitag geschlachtet.

In Großbritannien will die Behörde für Lebensmittelsicherheit erneut untersuchen, ob BSE auch durch Kuhmilch übertragen werden kann. Die bisherigen Untersuchungen von 1995, bei denen Mäusen Milch verabreicht wurde, hält ein britischer Forscher laut Sunday Times nicht für ausreichend, da die Artenbarriere zu groß sei. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass BSE auch durch Milch übertragen werden kann. Die Untersuchungen sollen drei Jahre dauern. EU-Gesundheitsminister David Byrne befürchtet unterdessen, dass Deutschland Ausmaße der Epidemie wie in England drohen.

Auch Italien ist seit Samstag offiziell nicht mehr BSE-frei. Der Schnelltest ergab ein erstes positives Resultat bei einer sechsjährigen Milchkuh aus der norditalienischen Provinz Brescia. Das Tier ist in Italien geboren – die zwei 1994 in Sizilien entdeckten infizierten Kühe waren britischer Herkunft.Wie in Deutschland wurde hier jahrelang die „mucca pazza“, die verrückte Kuh, als Problem der anderen behandelt. So bestand der Verbraucherschutz bis zum Dezember vor allem aus einem Importverbot, während die Metzger ihr Fleisch mit italienischen Fähnchen schmückten. Das Tier wurde nach nicht einmal 2.000 Tests vom zuständigen Labor in Brescia gefunden. „Keine Gefahr“ bestehe für die Verbraucher, verkündete Gesundheitsminister Umberto Veronesi sofort. Züchter und Metzger müssen sich dennoch auf harte Zeiten einstellen: Aufgrund der französischen und der deutschen BSE-Krise ist der Rindfleischabsatz in Italien um 40 Prozent eingebrochen.

Ministerrücktritte sind nicht zu erwarten: In der EU hatte sich der grüne Landwirtschaftsminister Alfonso Pecoraro Scanio schon in den letzten Monaten an die Spitze derer gestellt, die strenge Kontrollen verlangen. So forderte er auch jetzt wieder, dass der Herkunftsweg jedes Schlachtproduktes lückenlos dokumentiert werden soll.

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