Grüne klagen gegen BSR-Vertrag

Die Zielvereinbarung mit der BSR ist eine verdeckte Kreditaufnahme des Landes, so die Begründungder Grünen. Kassiert das Verfassungsgericht den Vertrag, könnten die Müllgebühren schneller sinken

Die Grünen-Fraktion des Abgeordnetenhauses hat den Senat vor dem Landesverfassungsgericht verklagt. Der Vorwurf: Die Landesregierung soll einen verfassungswidrigen Kredit aufgenommen haben.

Ohne Zustimmung des Parlaments habe der Senat im Sommer 2000 die Berliner Stadtreinigung verpflichtet, 805 Millionen Mark an den Landeshaushalt abzuführen, kritisierte gestern der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Jochen Esser. Dafür müsse die BSR Kredite aufnehmen. Im Gegenzug habe das Land der BSR ein Monopol für die Beseitigung des Hausmülls zugesprochen. „Die Verbraucher zahlen dafür die Zeche.“ Aufgrund der Kreditbelastung der BSR könnten die Müllgebühren jetzt nur langsamer gesenkt werden, als es sonst möglich wäre.

Mit der bereits am vergangenen Donnerstag eingereichten Klage wollten die Grünen diese „Verwilderung der politischen Sitten stoppen“, so Esser. Wenn dieser Fall zulässig wäre, wären der Möglichkeit der verdeckten Kreditaufnahme – vor allem über landeseigene Betriebe – keine Grenzen gesetzt. Das Vorgehen stelle eine eklatante Verletzung des Haushaltsrechts des Parlaments dar. Im Fall BSR handele es sich aber um eine verdeckte Kreditaufnahme. Dies soll das Verfassungsgericht jetzt feststellen.

Mit der Klage betrete man juristisches Neuland, räumte die Grünen-Fraktionsjuristin Kerstin Abend ein. Sollte das Verfassungsgericht der Auffassung der Grünen folgen, müsste der Vorgang vor das Abgeordnentenhaus. Aus Sicht der Grünen müssten die 805 Millionen Mark der Neuverschuldung des Landes zugerechnet werde, oder das Parlament müsste im Nachhinein eine gesetzliche Grundlage für den Kredit schaffen.

Darüber hinaus würden die Müllgebühren erneut auf die politische Tagesordnung kommen. Der Kredit belaste die BSR, so Esser. „Ohne diese finanzielle Belastung könnten die Müllgebühren schneller sinken.“ Davon hätten letztlich alle Berliner etwas.

Der Senat hatte auf Drängen des CDU-Fraktionschefs Klaus Landowsky im vergangenen Juli eine so genannte Zielvereinbarung mit der BSR geschlossen. Darin verzichtete der Senat darauf, die BSR entgegen früheren Plänen meistbietend zu verkaufen. Zudem erhielt die BSR für 15 Jahre das Monopol auf die Straßenreinigung und die Abfallbeseitigung der privaten Haushalte in Berlin. Im Gegenzug verpflichtet sich die BSR, in dieser Zeit in definierten Schritten wettbewerbsfähig zu werden.

Werden die Ziele nicht erreicht, hat der Senat das Recht, den Vertrag mit der BSR zu kündigen. Die BSR muss 1.700 ihrer 7.200 Stellen abbauen – im Vergleich zu anderen Privatisierungsszenarien eine moderate Reduzierung. Bis 2003 sinken die Müllgebühren für die Berliner um insgesamt 10 Prozent.

Für Landowsky war der Verzicht auf den Verkauf der BSR die Lehre aus dem Bewag-Verkauf. Das Land habe seinen Einfluss auf das Unternehmen verloren, Tausende Arbeitsplätze seien weggefallen. RICHARD ROTHER