Durchmarsch der Underdogs

Mit den Baltimore Ravens und den New York Giants erreichen zwei abwehrstarke Außenseiter die Super Bowl des American Football am 28. Januar in Tampa

BERLIN taz ■ Böse Zungen meinen, es könnte gut sein, dass die 35. Super Bowl am 28. Januar in Tampa die erste sein könnte, die 0:0 ausgeht. Schließlich stehen sich dann zwei Defensivreihen gegenüber, die am Sonntag in den Halbfinalspielen der National Football League (NFL) ihren Gegnern ganze drei Pünktchen zugestanden. Erstmals seit 22 Jahren wurde den Verlierern der Finals in der American Football Conference (AFC) und National Football Conference (NFC) jeglicher Touchdown verwehrt. Und dies schafften die Abwehrkräfte der Baltimore Ravens und New York Giants gegen die Oakland Raiders und die Minnesota Vikings – Teams, deren Angriff als ziemlich befähigt gilt. Wenn sich die beiden Außenseiter im Finale gegenüberstehen, sieht das vollkommen anders aus. „Die Offense von Baltimore kannst du vergessen“, sagt ein Buchmacher aus dem Stardust-Hotel von Las Vegas, „aber New York ist kaum besser.“ Die Wetten stehen zwar nicht gerade bei null Punkten, aber auf mehr als kombinierte 34 will kaum jemand setzen.

Zumindest die Giants bemühten sich gegen Minnesota nach Kräften, die Mär vom schwachen Angriff zu widerlegen. Fünf Touchdown-Pässe zauberte Quarterback Kerry Collins auf den Rasen des Meadowlands-Stadions von New Jersey, mit 41:0 wurden die favorisierten Vikings geradezu zertrümmert. Die Rolle des Underdogs gefällt den Giants immer besser. „Zuerst waren wir das schlechteste Team, das während der gesamten Playoffs Heimvorteil hatte“, sagt Besitzer Wellington Mara, „jetzt sind wir das schlechteste Team, das die Meisterschaft der National Conference holte, und in zwei Wochen werden wir hoffentlich das schlechteste Team sein, das je die Super Bowl gewann.“

Auch die Baltimore Ravens hatte zu Saisonbeginn niemand auf der Rechnung, aber mit ihrer Abwehr um Linebacker Ray Lewis haben sie sich inzwischen gehörigen Respekt verschafft. „Wenn sie nicht die beste Defense aller Zeiten haben, dann sind sie jedenfalls nahe dran“, sagte Raiders-Coach Jon Gruden nach der 3:16-Niederlage seines Teams, immerhin die Mannschaft mit dem besten Laufspiel in dieser NFL-Saison. Gegen die Ravens kamen in den ersten drei Vierteln gerade 24 erlaufene Yards zusammen.

Während Baltimores Defense mit nur 165 gegnerischen Punkten einen neuen NFL-Saisonrekord aufstellte, ist das Problem der Angriff. „Wir sind nicht so gut, aber effektiv“, sagt Tight End Shannon Sharpe, der dafür am Sonntag selbst den Beweis lieferte, als er nahe der eigenen Endzone einen Pass von Quarterback Trent Dilfer fing und den Ball über 96 Yards zum einzigen Touchdown der Partie trug. Den Rest erledigten die Ravens in bewährter Manier mit Fieldgoals.

Für Dilfer wird der Trip nach Tampa besonders pikant. Sechs Jahre spielte er dort bei den Buccaneers, bis man ihn Ende letzter Saison mit Schimpf und Schande davonjagte. Eine pikante Note hat der Austragungsort auch für New York. In Tampa bestritten die Giants 1991 ihre letzte Super Bowl – und gewannen.

MATTI LIESKE