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Tauziehen um Radio Bremen

■ Investoren würden mit dem RB-Neubau und dem neuen Gerichtszentrum gern die Häfen erschließen / Gutachter Marg gegen Hochhäuser am Bahnhof

In der vergangenen Woche haben die Bietergemeinschaften, die in den alten Hafenrevieren planen und investieren wollen, der zuständigen städtischen Entwicklungsgesellschaft „Überseestadt-GmbH“ ihre ersten konkreteren Konzepte vorgelegt. Gleich zwei der Investoren-Gruppen haben ihre begehrlichen Blicke auf Radio Bremen geworfen - als „Anker-Nutzer“ würden Hunderte von Radio-Bremen-Mitarbeitern neues Leben in das brachliegende Gelände bringen, das bisher durch die B 75 von der City abgeschnitten ist, und sind daher umworben. Ein anderer Wunsch-Kandidat ist das Gerichtszentrum - nach den Plänen des Jus-tizsenators sollen alle Bremer Gerichte kostensparend an einem Standort konzentriert werden. Mit einer Investition von dieser Größenordnung würde das Areal im Inneren der Stadt auf einen Schlag interessant für private Investoren, die bisher mit billigen Grundstückspreisen aus der City weg an die Peripherie Bremens gelockt wurden.

Für Radio Bremen wie für das Gerichtszentrum gilt die alte Bauherren-Weisheit: Ein Neubau ist immer billiger als der Versuch, eine für andere Nutzungen erbaute Immobilie umzubauen und nach aktuellen Standards zu modernisieren.

In den Hafenrevieren gibt es dafür andere Probleme: Noch verbindet keine Straße das alte Industriegelände mit dem Faulenquartier. Stadtplanungs-Chef Detlef Kniemeyer hofft, dass in vier Jahren der Durchbruch unter der B 75 zur Straße „Am Wall“ fertig sein wird. Er ist einer von zwei Geschäftsführern der Entwicklungsgesellschaft „Überseestadt-GmbH“. Wenn die Straße kommt, will auch der Eigentümer des „Weserbahnhof II“, der Kunstmäzen Bauherr Grote, an der Verlängerung des Schlachte-Boulevards auf seinem attraktiven Grundstück ein Bürohaus mit privater Kunstsammlung in der Parterre-Etage bauen.

„Ein denkbar kompliziertes Terrain“, umschreibt der andere Geschäftsführer von „Überseestadt“, der oberste Wirtschaftsförderer Dieter Russ, das Problem. Aber auch der dritte mögliche Standort für Radio Bremen, ein 17-stöckiger „Medien-Turm“ auf dem Bahnhofsplatz, ist kompliziert. Für Radio Bremen läge diese Adresse zentraler als die Alternativen im Faulenquartier oder in den Häfen-Revieren. Ob allerdings am Bahnhof ein Hochhaus gebaut werden darf, steht in den Sternen. Das Bauressort hat den renommierten Hamburger Architekten Folkwin Marg mit einem grundsätzlichen Gutachten zur Hochhauslandschaft im Bahnhofsviertel betraut. Der hat in einer Diskussion im Dezember in einer Radio-Bremen-Sendung zu dem Thema Folgendes erklärt: „Bremen hat ein fantastisches Profil. Die Bedeutung, die Bremen sich selbst zumisst als Hansestadt, ist eine einmalige Identität, die aus der Geschichte gewachsen ist. Will ich dort, wo die Geschichte das Einmalige prägt, einen Verschnitt mit Houston/Dallas machen? Oder will ich das bleiben, weswegen man nach Europa kommt?“ Marg machte deutlich, dass er eher für Abriss ist: Die „Beschädigung der Silhouette“ sollte man „korrigieren“, sagte Marg, „wenn ich jetzt dieses Bahnhofsviertel nehme, dann geht es nur darum, dass man Stadtreparatur betreibt. Ich verschlimmbessere nicht die Situation. Darum würde ich sagen: Den Bahnhofsplatz mit seinen Baudenkmälern komplettieren, und zwar im Maßstab dessen, wie es gewachsen ist, und das, was dort ist, aufwerten, aber nicht ohne jede Bedeutung erhöhen.“ Marg denkt offenbar ganz ähnlich wie der oberste Bremer Stadtplaner Kniemeyer: „Es gibt hier doch noch einen Dom! Das würde die Landmarke von Bremen, dann kriege ich hier eine Schrumpf-Variante der Dresdener Bank. Wenn man erst einmal die Silhouette geopfert hat, dann ist das der Anfang vom Ende. Um Himmels willen nicht der Bedeutungslosigkeit Akzente setzen!“

In dem zweiten Gutachten, das die Stadtgemeinde zur Beratung der städteplanerischen Entscheidungen in Auftrag gegeben hat, soll der optimale Standort für Radio Bremen ermittelt werden. Nach dem Beschluss der Deputation soll der Standort Hafenreviere dabei allerdings nicht untersucht werden.

K.W.

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