: Polizei kreist Neonazis ein
Mit neuen Methoden will die Cottbuser Polizei die rechte Szene einschüchtern:Die Beamten klingeln an der Wohnungstür, befragen Nachbarn und sammeln Daten
BERLIN taz ■ Stadtbekannte Neonazis in Cottbus und Guben sollen nicht mehr viel zu lachen haben. Die Polizei will sie jetzt mit Hausbesuchen einschüchtern. Seit zwei Wochen müssen sich Rechtsextreme auf die ungebetenen Besucher einstellen.
Die Polizisten klingeln unverhofft und halten so genannte Gefährdungsansprachen an der Haustüre ab. Im Prinzip überbringen sie nichts anderes als eine Warnung. „So nach dem Motto: Mein lieber Freund, denke daran, dass wir auf dich aufpassen“, erläutert der Cottbuser Polizeisprecher Berndt Fleischer. Als vor zehn Tagen 10.000 Menschen in Cottbus gegen rechts auf die Straße gingen, waren zuvor die Polizisten mit der neuen Devise ausgeschwärmt. Ihre Worte seien bei den Rechten durchaus angekommen, beteuert Fleischer: „Die waren an dem Wochenende mucksmäuschenstill.“ Zeitgleich hatte die Polizei eine Durchsuchungsaktion gestartet. In 16 Wohnungen sammelte sie Baseballschläger, indizierte Musikkassetten und andere verbotene Dinge ein.
Das Hausbesuchsprogramm hat die Brandenburger Polizei nicht erfunden. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen praktizieren es seit rund einem halben Jahr. Über tausend Neonazis wurden seither dort aufgesucht. Der Erfolg dieser persönlichen Ansprache ist nicht messbar, und zum Zuhören zwingen kann die Polizei niemanden. „Aber als Signal wirkt es schon“, glaubt Walter Wiesinger, Pressesprecher des Innenministeriums in Stuttgart. Diese Besuche können aber allemal das Image schädigen, denn Diskretion im Auftreten ist nicht verordnet. Die Streifenpolizisten stehen in Uniform vor der Tür und fragen Nachbarn aus.
Polizisten beobachten Bürger – mit diesem Ansatz versucht die Polizei seit Jahren in der Hooligan-Szene Eindruck zu machen. Die Landeskriminalämter sammeln Daten aus dieser gewaltbereiten Szene und senden ihre Erkenntnisse an eine zentrale Sammelstelle. Namen, Autokennzeichen, Vorstrafen – alles wird dort zusammengetragen. Wie dürftig Beobachtung und Materialsammlung sind, zeigte sich im Juni vor zwei Jahren bei der Fußball-WM in Frankreich. Obwohl die Behörden einen Großteil der Gewalttäter namentlich kannten, waren sie nicht in der Lage, Straßenschlachten zu verhindern – auch nicht den brutalen Überfall auf den Polizisten Daniel Nivel in Lens.
Keine Atempause will die Polizei in Cottbus und Guben den Neonazis gönnen. Am Donnerstag trifft sich eine Polizeisondergruppe mit Vertretern von Ordnungs-, Jugend- und Sozialamt, Richtern und Staatsanwälten. Sie alle sollen die Polizei mit Informationen aus der Szene versorgen. Zudem wird eine ausführliche Datei angelegt, in der alle straffälligen Rechten gespeichert werden. Jeder Streifenpolizist soll mit ihr demnächst herumlaufen, um ein Auge auf sie zu werfen. Bislang wurden 70 straffällig gewordene Rechte gelistet. All diese Aktivitäten gründeten sich auf dem Brandenburger Polizeigesetz und seien zur allgemeinen Gefahrenabwehr notwendig, begründet Polizeisprecher Fleischer die konzertierte Aktion. ANNETTE ROGALLA
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