: Die Welt ist absurd, die Wünsche einfach
■ Kurzfilme und Schauspiel der Berliner Agentur Heldinnenfilm im Metropolis
Wenn Lily Besilly und Nathalie Percillier zusammen Filme drehen, verschwimmen die Grenzen zwischen Regisseurinnen und Schauspielerinnen, zwischen Label und Titel und zwischen Trick- und Spielfilm. Sie arbeiten auf 16mm, 35mm, Video oder Super 8, und sie sind in ihren Filmen, als Darstellerinnen, Stimmen oder Diaprojektionen vertreten. Seit 1996 produzieren die Berlinerinnen ihre Filme auf dem Label Heldinnenfilm. Es bezeichnet sie als Produzentinnen, aber auch eine neue Reihe von Filmen, in der sie die Hauptrollen der Heldinnen Ute Hau und Jeanne Derc spielen.
Die erste Folge heißt Heldinnen der Liebe, ein Stummfilm in Farbe, in dem die zurückgelassene französische Soldatin Jeanne Derc („wir wollten Sie nicht wecken, wir sind zur Front gegangen / Ihre Kompanie“) sich in die dumpf umherstolpernde Ute Hau, Melderin der deutschen Armee, verliebt. Die beiden pflanzen Salat an, bis es ihnen langweilig wird und marschieren dann zum Brandenburger Tor, wo begeisterte Touristen sie fotografieren. „Aber es geht uns nicht nur um das Besetzen von Männerdomänen“, sagt Nathalie Percillier, „es geht um zwei Lesben, die in der Gesellschaft nicht klarkommen.“
Aneinanderreihungen von kurzen, häufig klamaukhaften, mitunter absurden Szenen wie in Heldinnen der Liebe sind es, die die beiden Filmhochschul-Absolventinnen in Videoschnipseln und Filmfetzen fassen. Sie beziehen Trick– und Spielfilmelemente aufeinander, kreieren Stummfilme im Stil der Zwanziger Jahre und unterlegen sie dann mit Geräuscheinblendungen. Doch nicht alle Heldinnen-Filme sollen Stummfilmcharakter haben: „Jede Domäne prägt ein Filmgenre“, so Percillier, „die Fußballberichterstattung bedient sich einer besonderen Bildsprache; die Mondlandung gebiert Helden für den Science-Fiction-Thriller, der wiederum eigenen Gesetzen folgt. Mit diesen Bildsprachen wollen wir experimentieren.“
Ihr neuester Film, Hartes Brot, erzählt eine Kurzgeschichte über Maschinen, Scheitern und Fabrikarbeit. Die Musik, wie häufig bei ihren Filmen, kommt von Les Reines Prochaines. Percilliers Streifen (Besilly war für den Schnitt zuständig) lief bereits bei den LesBiSchwulen Filmtagen im September letzten Jahres in Hamburg und gewann den Festivalpreis, die Ursula. Sie wird an diesem Abend im Metropolis überreicht. Die Ursula ist bereits der sechste Preis, den Percillier für Hartes Brot einheimst.
Wenn Percillier und Besilly live zusammen schauspielern, wie in dem von ihnen selbstgeschriebenen, dreiminütigen Stück Maria Stuartvon Schiller, verwischen sie die Ebene zwischen ihnen selbst und ihren Filmen noch einmal mehr. Dann inszenieren sie sich im dialogischen Schauspiel gegenseitig, Konzept und Improvisation werden ununterscheidbar. Es entsteht eine brutale Komik, die kein Klischee umgeht und ständig an der Peinlichkeitsgrenze entlangschrammt.
Mit dem Hamburger Dachverband für Frauen, Medien und Kultur, bildwechsel, der bereits seinen dritten Filmabend im Metropolis veranstaltet, arbeiteten die beiden schon bei früheren Filmen zusammen. Für ihre Präsentationen variieren die Künstlerinnen ihre Performance rund um Film und Schauspiel immer wieder – so auch am Mittwoch im Metropolis. bildwechsel-Abende im Kino an der Dammtorstraße gibt es jetzt alle zwei Monate; im März wollen die Filmfrauen Videobriefe zeigen, die der Verband sich zum Geburtstag wünschte. Katja Strube
bildwechsel präsentiert: Heldinnenfilm (mit Gästen), Mittwoch, 19.30 Uhr, Metropolis
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