Panzer, Tränengas und Granaten

■ Hamburger Delegation informierte sich vor Ort über Massaker, Folter und Übergriffe in türkischen Gefängnissen

Die erste Frage war fast immer: „Warum kommt ihr erst jetzt? Wo wart ihr, als die Massaker begannen?“ – „Das kann ich nachvollziehen“, sagt Pastor Christian Arndt, Mitglied der Hamburger Delegation. VertreterInnen von DGB, GAL, Regenbogen, ein Arzt und zwei RechtsanwältInnen reisten vom 12. bis 16. Januar in die Türkei, um sich über das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die hungerstreikenden politischen Gefangenen zu informieren. Gestern berichteten sie auf einer Pressekonferenz über ihre Erfahrungen.

Die Delegation sprach mit dem Menschenrechtsverein IHD, Rechtsanwälten, Angehörigen von Gefangenen und Entlassenen. Alle sagten aus, dass die Regierung mit Panzern, Bulldozern, Tränen- und Nervengas sowie Splittergranaten gegen die Häftlinge vorgegangen sei. Diese protestieren mit dem noch immer andauernden Hungerstreik gegen ihre Verlegung in neue Gefängnisse mit Einzel-, Zweier- oder Dreierzellen. Sie fürchten, dort den Übergriffen des Wachpersonals ausgeliefert zu sein.

Diese Furcht war vollkommen berechtigt, berichtete Arndt. Verlegte Häftlinge seien von Wärtern mit Stöcken vergewaltigt worden, bekämen wenig Wasser und Essen, die Zellen würden nicht geheizt. Zwei Menschen seien nach ihrer Verlegung verschwunden, 20 tauchten gar nicht erst in den Listen der neuen Gefängnisse auf.

Rechtsanwalt Gerhart Strate schilderte, dass die Gefangenen keine Möglichkeit haben, sich ju-ristisch zu wehren, da es in der Türkei keine unabhängige Kontrolle gebe. Auch „das Recht auf Verteidigung ist faktisch abgeschafft“, so Strate. In manchen Gefängnissen bekämen AnwältInnen pro Woche nur fünf Minuten, um mit ihren Mandanten zu sprechen. Zudem würden sie selbst wegen „Unterstützung“ mit Strafe bedroht.

Die Delegation unterstützt einstimmig die Forderungen ihrer Gesprächspartner: Wiederaufnahme des Dialoges durch die türkische Regierung, Beendigung von Isolationshaft, Folter und Zwangsernährung, ärztliche Versorgung und eine Untersuchung der Massaker. Nun soll sich die Bürgerschaft mit den Vorfällen befassen. SPD und CDU hatten eine Teilnahme an der Reise abgelehnt. Heike Dierbach