pampuchs tagebuch
: Lernt mich scannen!

„Scannen“, dieses geheimnisvolle Wort übersetzt mir mein nagelneues „Taschenwörterbuch Englisch“, das mir der Langenscheidt Verlag hat zukommen lassen, mit „scan“ ins Englische. Schaut man dann in der englischen Sektion, erhält man als Rückübersetzung von „absuchen“ und „überfliegen“ bis „skandieren“ und „abtasten“ einen bunten Strauß an leckeren Vorschlägen. Das sehr praktische „Pop-up Wörterbuch“ (ebenfalls von Langenscheidt), das ich seit geraumer Zeit auf meinem Laptop installiert habe, bietet mir zusätzlich noch „genau oder kritisch prüfen, forschend oder scharf ansehen“ an. Und im an sich recht brauchbaren „Internet-Wörterbuch Englisch–Deutsch“ von Langenscheidt und Süddeutscher Zeitung (ja, ich gebe zu, dies ist auch eine Langenscheidtkolumne) klafft zwischen „satellite transmission“ und „SCPC“ ein Loch. „Scanning“ gibt's nicht bei denen. Dafür steht im Eintrag direkt darüber „RUOK (Akronym) – Geht es dir gut?“ Nun ja, IMBO „(Akronym – in my bloody opinion)“ ist es ein Kreuz mit den blöden Abkürzungen. Das erinnert mich immer an KDF (Kauderwelsch der Flachköpfe). Den Schmarrn muss ich ja nicht mitmachen.

Bleiben wir lieber beim Scannen (wie wär's mit „Einlesen von Bildern und Texten“?) und prüfen kritisch, was diese neue Technik im zwischenmenschlichen Bereich zu leisten imstande ist. Ich gestehe beschämt, dass ich immer noch keinen Scanner habe. Spätestens seit ich Rechnungen mit Unterschrift mailen will, beklage ich dies, und im neuen Jahr schwillt mein Klagelied erheblich an. Freunde haben mir ihre Ferienbilder als Winzip, JPEG- oder CTP-Anhänge geschickt (Langenscheidt, hilf!). Manche konnte mein Kistchen öffnen, manche nicht. Ich steh doof da. Die Welt gerät ins Scanfieber, und ich verpenne mal wieder alles. Von den journalistischen und privaten Perspektiven ganz zu schweigen. Wer schickt denn heute noch Fotos per Post?, fragte mich neulich eine Redaktionsassistentin. Na, die sollen mich scannen lernen!

Die „Macht der schnellen Bilder“ ist dabei, mich – den Mann des Wortes – einzuholen. Schon steht meine brave Nikon F-600 brummig herum, seit ich mich beim letzten Besuch beim Laptophändler meines Vertrauens mal so nebenbei nach Digitalkameras erkundigt habe. Die aber sind schweineteuer. Ich komme also nicht um den Kauf eines Scanners herum. Und meine Nikon darf noch etwas weitermachen.

Doch halt, „kritisch prüfen“ hieß es. Steigert die bildliche Darstellung immer die Qualität einer Information? Haben wir über den derzeit durch alle Redaktionsstuben gescannten frühen Joschka Fischer jetzt tiefere Einsichten, weil wir ihn nun als jungen Mann mit Helm beim Polizistentreten schwarz auf weiß gesehen haben? Wussten wir doch längst. Zugegeben, ein hübscher Auslöser für Feuilletondebatten und dämliches Politikergesülze. (Wobei man sich wünschte, dass jeder, der seinen Senf dazugibt, verpflichtet würde, ein Foto von sich aus dieser Zeit beizulegen.) Aber mal ehrlich: Fischer im Bett mit einer schneidigen Polizeipräsidentin, das wäre ein Bild! Doch so was kann man eben nur schreiben. Die Macht des Wortes. Die Macht der Fantasie.

Trotzdem. Ich will abtasten (am besten gegenseitig), ich will überfliegen, ich will skandieren, will scannen, scannen, scannen! Schließlich tun das heute alle. Den Schmarrn will ich mitmachen! Aber dann will ich auch Fotos kriegen! Genaue, kritische, forschende und scharfe! Und wenn es der Niedergang des Gutenberguniversums ist. RUOK? IMOK. Bilder kann man wenigstens nicht abkürzen. THOMAS PAMPUCH

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