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Keanu Reeves` leeres, feistes Gesicht

Joe Charbanics Weg vom Videoclip zum abendfüllenden Thriller: „The Watcher“ ist der Versuch zu beweisen, dass es im hinreichend ausgedeuteten Serienkiller-Genre womöglich der beste Einfall ist, keinen Einfall zu haben

Wer dieser Tage einen Film über einen Serienmörder und die Jagd nach ihm macht, muss sich was einfallen lassen. Zu viele Porträts von Serienkillern gab es im vergangenen Jahrzehnt, zu viel Blut ist in den Filmen bis zum bitteren Ende vergossen worden, und über die Maßen oft wurde erklärt, dass Serienmörder einfach nicht anders können und arme Kreaturen sind – zuletzt von Spike Lee, der den schizophrenen New Yorker Liebespaarmörder Sam dann auch nur noch als Blaupause benutzte, um seine Seventies-Summer-of-Sam-Geschichte zwischen Disco und Punk erzählen zu können. In Serienmörders Psyche jedenfalls kennen wir uns bestens aus, und dass auch die Psyche ihrer Verfolger und Therapeuten nicht immer die stabilste ist – geschenkt, reine Allgemeinbildung.

Ob dieses hinreichend ausgedeuteten Genres hat sich der erfolgreiche Videoclip-Regisseur Joe Charbanic wahrscheinlich gedacht, der beste Einfall ist der, gar keinen Einfall zu haben. Jedenfalls legt das sein Spielfilmdebüt „The Watcher“ nahe, das praktisch ohne einen ausgeklügelten Dreh auskommt und sich selbst am Ende jede überraschende Volte erspart.

Was ja erst mal auch nicht sein muss: Ausgebrannter FBI-Agent gegen typisch narzisstischen Frauen-Serienmörder – so lautet die Figurenkonstellation von Charbanics Film, die durchaus für einen hübschen Thrill und eine gute Geschichte hätte reichen können. Doch es will nicht so richtig hinhauen mit James Spader als FBI-Agent Joel Campbell und Keanu Reeves als Serienmörder David Allen Griffin.

Der eine ist von Los Angeles nach Chicago gegangen, um hier den Job, die damit zusammenhängende Ermordung seiner Frau und überhaupt alles hinter sich zu lassen. Dabei helfen sollen ihm ordentlich Psychopharmaka und eine Psychoanalyse. Der andere, ebenfalls aus L. A. und unerledigter Fall von Spader, hat genau da was gegen und sucht sich seine Opfer nun auch in Chicago – so gehören sie zusammen auf Leben, Tod und Psyche. Von interessanten Rollentauschen, schönen Doppelgängererlebnissen oder anderen wahnhaften Verirrungen aber keine Spur. Spader bleibt der kaputte, aber brave FBI-Agent, den die Vergangenheit nicht loslässt und der deswegen noch mal ran muss; und Griffin bleibt der „Watcher“ und Serienmörder (wahrscheinlich aus Passion, mehr Hintergrund gibt’s nicht), der Spader seine Grüße schickt in Form von Fotos der Frauen, die er 24 Stunden später ermorden wird. Beim Showdown spielt Spaders Analytikerin noch eine tragende Rolle, aber nur als Opfer, und das war’s dann. Dazu gibt’s selbstredend schnelle Schnitte, ein paar Stunts und Verfolgungsjagden. Da sorgt eine Musikmischung aus TripHop (Einsamkeit, Kälte in der Großstadt) und Heavy Metal (Action!) für die richtige Atmo, und schließlich guckt man auch Keanu Reeves gern in sein auftragsgemäß leeres und interessant feistes Gesicht – doch all das reißt es nicht. Killen kann aufregender sein, anregender, aufschlussreicher, und von tollen, fünfminütigen Videoclips zu einem abendfüllenden Thriller ist es halt doch ein weiter Weg, Herr Charbanic. GERRIT BARTELS

„The Watcher“, Regie: Joe Charbanic. Darsteller: Keanu Reeves, James Spader, Marisa Tomei u.a., USA 2000, 96 Min.

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