: Zwischen Bop und boom boom
■ Heute beginnt das MIBnight Jazzfestival. Die rührige Bremer Jazzszene stellt sich da vor und serviert eine immense Bandbreite
Die Bremer Jazzszene ist rührig, aber man merkt es kaum! Allzu viele Auftrittsmöglichkeiten gibt es nicht, aber einmal im Jahr kommt man zum Festival der Musikerinitiative Bremen (MIB) zusammen. Und da kann man sich jedes Mal über die immense Bandbreite der gespielten Musik wundern. Diese reicht beim heute beginnenden MIBnight Jazzfestival vom klassischen Neobop des Ed Kröger Quartett (heute, 23 Uhr) bis zu den esoterischen Experimenten zum Thema Zeit von „Kronos – Kairos“ (heute, 21 Uhr). Dabei soll das Publikum im Dunkeln durch Sounds, Musik und Uhrenticken „in die Welt des subjektiven Zeitempfindens“ (Pressetext) eintauchen.
Insgesamt 13 Konzerte mit 46 MusikerInnen werden an den drei Abenden dieses Wochenendes stattfinden. Alle üblichen Verdächtigen sind dabei, und mit Gabriele Hasler kommt sogar eine, die aus Bremen in die große weite Welt zog, für einen Auftritt zurück. Die Vokalistin – Sängerin kann man bei ihr kaum noch sagen – stellt ihr Projekt „Picture Music“ vor (So, 20.30 Uhr), bei dem sie sich mit dem Schlagzeuger Jörg Schipper und dem Klarinettisten Claudio Puntin Filmmusiken von John Lurie als Ausgangspunkte für Improvisationen nimmt, die sehr abenteuerlich zu werden versprechen.
Das Quartett „Cool Position“ der Saxophonisten Eckhard Petri und Dierk Bruns versucht eigentlich schon seit Jahren, genauso wie die Formationen von Gerry Mulligan in den 50er Jahren zu klingen. Doch jetzt haben sie sich ein neues, altes Klangideal gesucht und spielen zusammen mit dem Bremer Klarinettenquartett eine „zeitgenössische Hommage an Benny Goodman“ (So, 19 Uhr). Das klingt wie ein Widerpruch in sich, aber vielleicht hat Tom Wolfe ja mit seiner These recht, dass in dieser Dekade die „Derrieregarde“ den Ton angibt.
Am Samstag werden dann die „turntables“, „effect units“, „lofi oscilators“ und „softwareprogr. visuals“ angestöpselt, denn vier Bands versuchen, schicken, hippen Jazz für das neue Jahrtausend zu machen. Die Harfenistin Maria Todtenhaupt verspicht mit der Formation „Electric Groove Industries“ (Sa, 20 Uhr) „genmanipulierte Klangerzeugnisse, die Bewusstseinsveränderungen beim Hörer“ bewirken. „boom boom“ (Sa, 21.30 Uhr) nennt sich etwas sperriger „Bremens erste Live Band mit Drum'n'Bass/NuJazz Thematik“. Hier treffen mit dem Keyboarder Michael Berger und dem Trompeter Uli Beckerhoff nach Jahren zwei der brillantesten Jazzmusiker der Stadt wieder aufeinander. Dies verspricht der Höhepunkt des Festivals zu werden.
Ohne Instrumente im traditionellen Sinn kommt das Berliner Kollektiv „Jazznova“ (Sa, 23 Uhr) aus: Drei DJs und Studiotüftler improvisieren mit Samples und Remixes – und den Jazzpuristen stehen die Haare (so noch vorhanden) zu Berge. Noch einen technologischen Schritt weiter geht das Duo „Phon“ (Sa, 21 Uhr), deren Hauptinstrumente Software-Programierungen sind und die für ihr Programm „new york eye & ear control“ avantgardistischen Jazz der 60er sowohl akustisch als auch visuell bearbeiten. Wilfried Hippen
MIBnight Jazzfestival von heute, Freitag, bis Sonntag im Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstr. 12-19
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