: Alles wieder gut
■ Ein Jahr nach der Krise glaubt das Waldau Theater, es habe den Neuanfang geschafft. Andere bezweifeln das, seit sie wissen, dass Intendant Michael Derda nach kurzer Pause jetzt wieder zum Geschäftsführer ernannt wurde
Michael Derda ist zum Geschäftsführer des Waldau Theaters ernannt worden. Wer ernannt wird, war es vorher nicht, und in der Tat liegt genau darin das Bemerkenswerte dieser Personalie. Denn bis zum Frühjahr des letzten Jahres war Derda bereits lange Jahre Geschäftsführer des Waller Theaterhauses, ehe er infolge der Existenzkrise, die das Theater damals an den Rande der Insolvenz getrieben hatte, dieses Amt los wurde.
Eine Betriebsuntersuchung der stadteigenen Controllingfirma kmb vom April 2000 bescheinigte Derda, an der Krise nicht ganz unschuldig zu sein. In seinen beiden Funktionen als Waldau-Intendant und Geschäftsführer habe er erhebliche Versäumnisse zu verantworten: Problematische Eingriffe Derdas in kaufmännische Belange konstatierte die kmb ebenso wie zum Teil eklatante Planungsschwächen im Produktionsprozess. Derda selbst interpretierte damals seinen Rücktritt von der Geschäftsführung und die gleichzeitige Ernennung Axel Schroeders in dieser Funktion als Befreiungsschlag, insofern er sich künftig als Intendant ausschließlich um die künstlerischen Belange kümmern könne.
Ende November ist der Intendant nun von seinem Aufsichtsrat also doch wieder zum Geschäftsführer gemacht worden. Der Grund ist laut Derda rein formaler Natur: Der Gesellschaftervertrag des Theaters sehe nunmal zwei Geschäftsführer vor. An den Zuständigkeiten ändere sich dadurch nichts: Er verantworte den künstlerischen Sektor, Axel Schroeder den kaufmännischen, wobei für alle künftigen Entscheidungen nun beide zusammen mit ihren Unterschriften geradestehen.
Aus gut informierten Kreisen wird hingegen eine andere Version kolportiert. Demnach habe Derda eigenmächtig seinen Urlaub verlängert, was Schroeder nicht akzeptieren und mit Sanktionen belegen wollte. In diesen internen Konflikt habe sich der Aufsichtsrat auf die Seite Derdas geschlagen und ihn ebenfalls zum Geschäftsführer ernannt, womit Derda nur noch gegenüber dem Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig ist.
Hört sich schlimm an, hat aber mit der Wahrheit nichts zu tun, betonen Schroeder und Derda unisono. Zwar sei Derda tatsächlich später aus seinem Urlaub zurückgekehrt. „Aber ich habe nicht meine Ferien verlängert, sondern für das Waldau Theater Stücke in anderen Städten gesichtet.“ Überhaupt könne von einer Missstimmung zwischen ihm und Schroeder keine Rede sein. Im Gegenteil: Heilfroh sei er, dass Schroeder da ist, weil seitdem die finanziellen Angelegenheiten reibungslos liefen.
An der Seite von Schroeders Vorgänger Helmut Zorn habe sich Derda dagegen oft allein gelassen gefühlt und Dinge tun müssen, für die er eigentlich nicht zuständig war, was ihm schließlich völlig zu Unrecht Kritik von Seiten der kmb eingebracht habe.
Wie dem auch sei – die Fehler der Vergangenheit seien inzwischen abgestellt, und die Zukunft des Waldau Theaters gebe allen Anlass zur Hoffnung. Im Vergleich zu 1999 konnte das Theater, so Schroeder, seine Einnahmen um 100.000 Mark und seine BesucherInnenzahl um 10.000 erhöhen, so dass das Haus im Jahresschnitt eine Auslastung von 65 Prozent vorweisen könne. Dank Personalabbau und rigoroser Sparpolitik sanken die kurzfristigen Verbindlichkeiten auf 500.000 Mark. Bei ihrer Betriebsuntersuchung hatte die kmb diese Verbindlichkeiten immerhin noch auf 1,7 Millionen Mark taxiert. Die Auslastung der vom Waldau Theater koproduzierten „Rocky Horror Show“ liegt bei fast 80 Prozent und damit über den Erwartungen. Mit der ÖVB und der swb Enordia konnten neue Sponsoren gewonnen werden, für eine Viertelmillion Mark wurde ein Teil der Fassade renoviert. Inzwischen sei das Theater „eine Begegnungsstätte für alle Schichten geworden“ freut sich Derda: „An einem Tag laufen hier die Zuschauer in Strapsen herum, am anderen Tag kommt die Omi und guckt niederdeutsches Theater.“
Leider strömen die Omis aber nicht so, wie es die kmb in ihrer Untersuchung prognostiziert hatte. Gerade im niederdeutschen Bereich hatte die kmb nämlich den größten BesucherInnenzuwachs vermutet. Doch trotz großer Marketinganstrengungen des Theaters sind dort im Gegensatz zum Märchen- und Boulevardsektor die Zahlen im letzten Jahr rückläufig gewesen. Auswirkungen auf die Programmgestaltung wird das aber nicht haben. „Schon aus Gründen der Traditionspflege werden wir das niederdeutsche Angebot weiter pflegen“, verspricht Derda.
So hofft das neue Geschäftsführer-Duo, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, so dass sich endlich die seit Jahren stagnierenden AbonnentInnen-Zahlen steigern und ein potenter Waldau-Freundeskreis etablieren lassen. Und, wer weiß, vielleicht kehrt dann auch das Wohlwollen der Bremer KulturpolitikerInnen zurück.
Die nämlich verweigern dem Waldau-Theater ebenso wie Bremens Kreditinstitute mit Hinweis auf die schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit noch immer ein Darlehen von 250.000 Mark. „Das brauchen wir aber wie jede Kultureinrichtung, um kurzfristig liquide sein zu können“, sagt Schroeder. Wer das Theater heute ohne Vorurteile betrachte, müsse doch anerkennen, dass im letzten Jahr enorme Sanierungsleistungen erbracht worden seien, die ein neues Vertrauen in das Haus rechtfertigen würden. „In den nächsten Jahren werden wir jedenfalls keine Negativschlagzeilen mehr liefern“, ist sich Schroder sicher.
Vielleicht wird die Botschaft erhört: Am heutigen Freitag lässt sich die Kulturdeputation durch die Kulturverwaltung über die momentane Situation im Waldau-Theater Bericht erstatten. zott
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen