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Kein Geld – keine Arbeit

MitarbeiterInnen bei Metallbetrieb MOT warten auf ihre Gehälter und sind seit einer Woche im Ausstand. Geschäftsführer ist ratlos  ■ Von Peter Ahrens

Der Chef ist ratlos, die Belegschaft verzweifelt – bei dem metallverarbeitenden Betrieb MOT in Billbrook herrscht Endzeitstimmung. Die Gehälter sind seit Wochen überfällig, die MitarbeiterInnen befinden sich im Ausstand, das Verhältnis zwischen ArbeiterInnen und Geschäftsführer Michael Schneider ist kaputt. Einer aus der Belegschaft sagt: „Wir sind mit den Nerven am Ende.“

Seit vier Jahren kämpft das Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen. Eine neue Maschine wurde für einen Millionenbetrag angeschafft, mit der gab es technische Schwierigkeiten, Aufträge gingen verloren, „es tat sich ein dickes Loch auf“, sagt Schneider. Erstmals wurden die Gehälter verspätet ausgezahlt, dann wurden Weihnachts- und Urlaubsgeld gekürzt, später gestrichen, und jetzt ist Schneider mit allen Gehältern im Rückstand. Für die meisten der 20 MitarbeiterInnen war damit ein Punkt erreicht, bei dem sie nicht mehr mitziehen wollten: Kein Geld, also auch keine Arbeit. Sie kommen zwar täglich in den Betrieb, sitzen aber nur im Gemeinschaftsraum und diskutieren, wie es weitergehen soll. Wovon sie leben? „Bei mir sind alle Rechnungen offen“, sagt einer. „Die Schulden häufen sich, es ist Wahnsinn.“

Dem Chef geht es auch nicht viel besser, sagt er. „Wenn meine Frau nicht auch arbeiten würde, wüsste ich nicht, wie ich die Miete zahlen soll.“ Inzwischen holt er sich Leute von außen, die anstelle der Belegschaft die Arbeit machen. Für die Streikenden sind das „Schwarzarbeiter“, für Schneider „Aushilfen“. Drei oder vier aus der regulären Belegschaft haben die Arbeit inzwischen wieder aufgenommen. „Was soll man denn sonst machen?“

Viele der MitarbeiterInnen sind keine Deutschen, sie kommen aus Polen, Russland, Lateinamerika und sind seit Jahren bei der Firma. Deshalb hängen sie auch an der Arbeit. Der Geschäftsführer spricht davon, dass „sich einige profilieren wollen und die Stimmung nach oben pushen“. Spricht man mit den Streikenden, spürt man aber nichts von Kampfeswillen, sondern nur Resignation. „Ich habe drei Kinder, wovon soll ich die denn ernähren?“ In der Gewerkschaft ist niemand, einen Betriebsrat gibt es nicht.

Es bleibt Trotz: „Wir werden so lange nicht arbeiten, wie es kein Geld gibt.“ Schneider hat versprochen, zumindest 10.000 Mark aufzutreiben, gerade mal 500 Mark pro Person. Die Chancen, „ob wir diese Lücke überstehen“, stehen für ihn „50:50“. Daran glauben seine Leute nicht: „Hoffnung – nee, die habe ich nicht mehr.“

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