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Verkannte Kleingärtnerseele

■ Über 600 Parzelleros kämpfen gegen den Technologie-Park

600 neue Stimmen für die Grünen – wenn man ein bisschen wahlforscherisch spekulieren möchte, dann wäre das wohl das Ergebnis der Parzellisten-Demo, die am Donnerstag in der Uni stattgefunden hat. „Schwarz und rot – des Kleingärtners Tod“, – so prangte es in dicken Lettern auf den Transparenten. Und unterhalb des Podiums prangte der Scherz, auf den die Stadt schon lange wartet: Erste BSE–Fälle jetzt auch im Senat.

Bausenatorin Tine Wischer (SPD) und Wirtschaftssenator Josef Hattig standen am Pranger: sie sind verantwortlich für einen Senatsbeschluss vom Oktober letzten Jahres, nach dem die Süderweiterung des Technologie-Parks auf Kosten der 770 Parzellen gehen soll, die jetzt noch die Universität von Schwachhausen trennen.

„Ich finde das nicht witzig“, moniert Klara Schreyer, CDU, mit Blick auf das BSE-Transparent. Unter Buh-Rufen macht sie dennoch den Standpunkt ihrer Partei klar. „Sie können ihre Gärten behalten. Wir wollten mit dem Technologie-Park immer nach Norden über die Autobahn hinaus.“ Da liegt das Holler Land und da hat sich die CDU wohl in der Einschätzung der Kleingärtnerseele getäuscht. Klar spricht sich die Demo im großen Hörsaal der Universität gegen diese Möglichkeit aus. „Frau Schreyer, es wird Ihnen nicht gelingen, einen Keil zwischen die Kleingärtner und die Naturschützer zu treiben“, wettert der Landesvorsitzende der Kleingärtner, Hans-Ulrich Helms, unter tosendem Applaus.

Karoline Linnert, Fraktionssprecherin der Grünen, freut sich über die neue Koalition. „Ich kann mich noch an ganz andere Treffen zwischen Grünen und Kleingärtnern erinnern. Da ging's glaub' ich um Pestizide“. An diesem Abend sagt sie „volle Unterstützung innerhalb und außerhalb der Bürgerschaft“ zu. „Aber eigentlich hätten Sie das Recht, mit einem, der verantwortlich ist, zu reden“. Stattdessen gibt es erst mal jede Menge Solidarität: Von Werner Mühl, dem Ortsamtsleiter von Schwachhausen, vom BUND, und sogar die evangelische Kirche hat sich per Brief gemeldet. Auch der Vorsitzende des größten SPD-Unterbezirks Stadt, Wolfgang Grotheer versichert den Kleingärtnern, er sei auf ihrer Seite.

Einer, der ein bisschen verantwortlich ist, kommt dann noch zu den Kleingärtnern: Carsten Sieling, baupolitischer Sprecher der SPD tritt nach seinem Genossen Joachim Schuster ans Mikrofon, um einen Kompromiss schmackhaft zu machen. Wenn man auf den inneruniversitären Erweiterungsflächen des Technologieparks höher als bisher baut, dann sei der Flächenbedarf von derzeit rund drei Hektar pro Jahr für die nächsten „Zehn bis zwölf Jahre“ gedeckt. Danach aber werde man „über die Schiene springen“ und gut die Hälfte der Kleingartenfläche brauchen, um die Universität mit den Stadtteilen Horn und Schwachhausen städtebaulich sinnvoll zu verbinden. Mit den Kleingärtnern ist nach Lage der Dinge so ein Kompromiss zur Zeit nicht zu haben. „Nicht einen Garten kriegt ihr mehr“, brüllt es aus dem Publikum, und: „Sollen die Ausgleichsflächen vielleicht in den leeren Büros in der Innenstadt sein?“. Sieling versucht es mit Offenheit: „Wir können nicht für jeden Garten garantieren.“ Mit Verve tritt er für das SPD-Konzept Technopolis ein und wünscht sich in der ganzen Stadt „zahlreiche Inseln“, nicht nur einen einzigen Technologiepark, an denen zukunftsweisende Firmen ihr Zelt aufschlagen. „Warum gehen wir eigentlich nicht in den Hafen?“ ruft er dem Publikum zu. „Was fragen Sie uns das, Sie sitzen doch in der Bürgerschaft“, kommt prompt die Antwort aus dem Saal.

Elke Heyduck

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