Gipfel im Schatten

Der frankoafrikanische Gipfel in Kamerun wird von der Sorge um Kongo beherrscht und von Frankreichs Waffenskandalen in der Region getrübt

von DOMINIC JOHNSON

„Jedes Mal, wenn Chirac nach Kamerun kommt, gibt es einen Toten. Letztes Mal war es Marokkos König Hassan, diesmal Kabila.“ Die lästernden Worte eines kamerunischen Oppositionsabgeordneten verdeutlichen das Dilemma des frankoafrikanischen Staatengipfels, der gestern Abend in Kameruns Hauptstadt Jaunde mit einem Bekenntnis Frankreichs zum Schuldenerlass zu Ende gehen sollte: Der Tod des kongolesischen Diktators überschattet die offiziellen Themen des Gipfels, von der Krise in der Elfenbeinküste bis zum Gipfelmotto „Afrika und die Herausforderungen der Globalisierung“.

Ursprünglich hatte die Hoffnung bestanden, bei diesem Gipfel Kabila und seine afrikanischen Feinde zusammenzubringen. Das frankophone Zentralafrika ist vom Krieg im Kongo wirtschaftlich stark betroffen und hat sich in den letzten Monaten auch politisch engagiert. Kongo-Brazzaville, wichtigstes frankophones Ölland der Region, ist mit Kabilas Schutzmacht Angola verbündet und steht auch mit der von Uganda unterstützten Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) im Norden Kongos in Kontakt. Deren Führer Jean-Pierre Bemba ist ein Freund Frankreichs und hat sein Territorium ökonomisch an das frankophone Zentralafrika angebunden. Das politisch wichtige Gabun ist ein Zentrum für Vermittlungsversuche geworden und brachte letzte Woche Kabila mit seinem Kriegsgegner Pierre Buyoya, Präsident von Burundi, zusammen.

Aber die immer neuen Skandale um Waffenexporte aus Frankreich in diese Region Afrikas haben das positive Bild getrübt. Mutmaßlich illegale Waffenverkäufe des französischen Geschäftsmanns Pierre Falcone, vermittelt durch Jean-Christophe Mitterrand, Sohn des ehemaligen französischen Staatschefs, sind seit Wochen in Frankreich Gegenstand richterlicher Ermittlungen. Sie führen jetzt auch zu kritischen Diskussionen in Angola selbst, dessen Regierung mit den französischen Waffen 1993 im Krieg gegen die Unita-Rebellen eine Wende zu seinen Gunsten herbeiführte und seitdem Verbündeter Frankreichs in der Region ist. Angolanische Menschenrechtler versuchen, die angolanische Regierung zu verklagen.

Pünktlich zum Gipfel ist jetzt ein ähnliches Waffengeschäft mit Kamerun bekannt geworden: Nach einem Hilfeersuchen Kameruns an Frankreich 1994 habe Falcone 30 Tonnen Waffen geliefert, vor allem Raketengeschosse. Damit besetzte Kameruns Armee die zwischen Kamerun und Nigeria umstrittene ölreiche Halbinsel Bakassi.

Kameruns Regierung wusste wohl, warum sie im Vorfeld des Gipfels einen „Gegengipfel“ sowie Demonstrationen überhaupt verbot und Versammlungen der Opposition massiv behinderte. „Die Regierung hat wissen lassen, dass sie dekretiert hat, der Gipfel sei ein Fest, und wer den reibungslosen Ablauf des Festes in irgendeiner Weise stört, wird als Aufrührerischer angesehen und entsprechend behandelt“, berichtet der Schriftsteller Mongo Beti.

Nach weiteren Informationen ist die kamerunische Hauptstadt praktisch im Belagerungszustand, mit schwer bewaffneten Soldaten auf den Straßen. Viele Geschäftsleute haben aus Angst vor Übergriffen die ganze Woche geschlossen. Lediglich die teuren Hotels und die Hauptstraßen erscheinen in strahlend neuem Gewand: Sie wurden frisch renoviert zum Gipfel – nach Presseberichten unter dem Einsatz von Zwangsarbeitern. Zur Präsidentengala zeigt Kamerun ein traditionell-autoritäres Gesicht, das zu einem globalisierten Afrika ganz und gar nicht passt.

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