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Bush will Neuauflage des Star-Wars-Programms

Bill Clinton hat das unbequeme Thema aus seiner Amtszeit herausgehalten, sein Nachfolger macht es umgehend zum Regierungsprogramm: Die Raketenabwehrpläne des neuen Chefs im Weißen Haus lassen Erinnerungen an Ronald Reagans gescheitertes SDI-Projekt aufkommen

BERLIN ■ taz Die Entscheidung für die Berufung von Donald Rumsfeld als Verteidigungsminister der neuen US-Regierung ließ aufhorchen: Schließlich war er es, der 1998 mit dem so genannten Rumsfeld-Report die Idee eines Raketenabwehrsystems gegen „Schurkenstaaten“ wie Nordkorea, Irak und Iran entwarf. Die „National Missile Defense“ (NMD) ist nun schon vor dem Amtsantritt der Regierung von George W. Bush zum Problem geworden und wird inner- und außerhalb der USA zum Teil massiv kritisiert.

NMD lässt Erinnerungen aufkommen an das weltraumgestützte Raketenabwehrsystem SDI, ein Lieblingsprojekt des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, das nie realisiert wurde und dennoch Entwicklungskosten von 70 Milliarden US-Dollar verschlang. Anders als SDI bleibt NMD am Boden: Das Abwehrschild soll aus Richtung der „Schurkenstaaten“ anfliegende ballistische Interkontinentalraketen von unten vor dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zerstören. „Hit to kill“ heißt das im Militärjargon. Gemeint ist nicht die Zerstörung mit Sprengstoff oder Laserstrahlen, sondern durch einen schlichten Zusammenprall mit dem Abfangflugkörper. Der US-Waffentechnologe und NMD-Kritiker Richard Garwin vergleicht dies mit dem Vorhaben, eine „Gewehrkugel im Flug mit einer Gewehrkugel zu treffen“.

Bill Clinton wollte das unbequeme Thema aus dem letzten Jahr seiner Amtszeit heraushalten und hat es seinem Nachfolger überlassen. NMD wurde Wahlkampfthema. Jetzt ist es Regierungsprogramm. Eventuell bereits im März will George W. Bush das Startsignal für die nationale Raketenabwehr geben.

Damit stößt er auf die Kritik der Bundesregierung und der meisten anderen EU-Länder. Auch Kanada, Russland und China lehnen die Pläne der neuen US-Regierung mit Nachdruck ab. Die Kritiker befürchten, dass NMD zu einem neuen weltweiten Rüstungswettlauf führen könnte. Nach ihrer Ansicht verstößt die Einrichtung der Raketenabwehr gegen den 1972 von den USA und der damaligen Sowjetunion abgeschlossenen ABM-Abrüstungsvertrag. Der Vertrag, den Rumsfeld vor einigen Tagen als „uralte Geschichte“ bezeichnete, erlaubt beiden Seiten nur örtlich begrenzte Abwehrgürtel.

Die USA streben nun eine Zusatzregelung zum ABM-Vertrag an, die die Einrichtung eines landesweiten Abwehrschildes erlaubt. Damit stoßen sie jedoch bei Russland, dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion, sowie bei China und den europäischen Nato-Staaten auf Granit. Auch die Idee regionaler Abwehrgürtel für europäische Verbündete stößt bei diesen auf wenig Gegenliebe.

Doch auch innenpolitisch wachsen die Widerstände gegen die Neuauflage der Raketenabwehrpläne. Schon Clinton hatte die Vertagung des Themas mit Zweifeln an der Funktionsfähigkeit des Abwehrsystems begründet. Zuvor war nur einer von drei kostspieligen Tests erfolgreich verlaufen. Vor einigen Tagen mahnte der Chef des Waffentestprogramms des Pentagons, Philip E. Coyle III, in der New York Times die Bush-Regierung zur Vorsicht. Und auch aus dem Militär ist deutliche Kritik zu hören. US-Generäle machen sich Sorgen, dass das teure NMD andere kostspielige Großprojekte gefährden könnte. Im letzten Jahr wurden die Kosten auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die von der Bush-Regierung geplante Version würde nach Ansicht von Beobachtern um vieles teurer werden. TILL BAUMANN

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