piwik no script img

der königinnenmacher

Kardinal Sin ist eine Macht in Manilas Politik

„Geht zur Edsa! Bleibt auf der Edsa! Passt auf und betet!“ Manilas Jaime Kardinal Sin hat wieder die Menschen gerufen, und Hunderttausende kamen, um die Politik selbst in die Hand zu nehmen. Schon 1986 hatte der konservative Sin die Bevölkerung aufgefordert, sich auf Manilas Stadtring Edsa zu versammeln, um Offiziere zu schützen, die sich mit einem Putsch gegen den Diktator Marcos auf die Seite der um ihren Wahlsieg betrogenen Corazon Aquino geschlagen hatten. Hunderttausende stellten sich mutig den Panzern der Marcos-Loyalisten in den Weg. Nach wenigen Tagen musste Marcos aufgeben. Jahre vorher hatte Sin noch mit ihm zusammengearbeitet.

Der Lebenswandel des unmoralischen Frauenhelden Estrada war Sin schon immer ein Dorn im Auge. Als sich die Chance bot, stellte sich der Kardinal an die Spitze der Bewegung zu Estradas Sturz. Der 73-jährige chinesischstämmige Erzbischof von Manila, der gern Witze über seinen sündigen Namen macht, ist in dem katholischen Land ein entscheidender Machtfaktor. Und Sin weiß seinen Einfluss immer wieder einzusetzen.

Doch neigt er auch dazu, den Bogen zu überspannen. Nicht immer wählte das Volk die von ihm bevorzugten Kandidaten. Auch mobiliserte Sin 1994 schon vergeblich Hunderttausende gegen eine Liberalisierung der Familienplanungspolitik, die eine Wahl der Verhütungsmittel einführte.

Als einer der einflussreichsten Kirchenführer Asiens wurde er in den Medien sogar schon als potenzieller Nachfolger von Papst Johannes Paul II. gehandelt. Der Job dürfte ihm allerdings wenig liegen, weil er dann viel diplomatischer auftreten müsste. Einen auf Schnellstraßen gegen Präsidenten demonstrierenden Papst gab es jedenfalls noch nicht. HAN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen