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Lappen in Jagdgrün

■ Wer in Bremen einen Fischereischein beantragt, kriegt lebenslänglich / Angeln darf nur, wer ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis hat / Drei Monate Wartezeit

Angler sollen ja die Ruhe weg haben. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, da jeder Angler, sobald er angelt, in furchtbare innere Aufruhr gerät: Er fürchtet, den Fischen methodisch unterlegen zu sein. Die andere Hälfte der Wahrheit ist jedoch, dass Angler im zivilen Leben vielleicht wirklich die entspannteren Menschen sind. Wenn dem nicht so wäre, dann hätten Scharen revoltierender Sportfischer schon längst die Bastion des Stadtamtes gestürmt und die mit Fischereiangelgenheiten befassten Mitarbeiter filetiert.

Der Grund dafür ist obrigkeitsstaatliches Gehabe, das selbst Kaltblütern – wie beispielsweise dem Barsch – auf den Kreislauf schlagen würde. Glücklicherweise braucht der Barsch keinen Fischereischein. Die Bremer Angler jedoch, die dieses staatliche Dokument so dringend zum Angeln brauchen wie der Fisch das Wasser, sind angeschmiert: Sie bekommen einen Fischereischein nur dann, wenn sie behörlicherseits als „zuverlässig“ eingestuft werden. Kurzum: Wer in Bremen eine solches Dokument beantragt, braucht ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis, und das bitte in „Belegart O“.

Dabei ist das hiesige Fischereirecht eigentlich liberal: In Bremen gibt es den „Stockangelschein“, ein seit unvordenklichen Zeiten überliefertes Bürgerrecht, das den volljährigen Bremern erlaubt, Fische zur eigenen Verköstigung aus der Weser zu ziehen – auch ohne die berühmt-berüchtigte Anglerprüfung. In Kombination mit dem bundesweit gültigen Fischerschein – ohne diesen kriegt man keine Angellizenzen für andere Gewässer – kostet der Spaß 120 Mark. Dafür hat der jagdgrüne Lappen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – lebenslang Gültigkeit. Man sieht sich schon mit zittrigen Händen in der Kleinen Weser fischen, um die erbärmliche Rente aufzupeppen.

Doch zurück zur staatlichen Disziplinierung des Anglervolkes. Führungszeugnis. Zuverlässigkeits-prüfung. Ellenlange Antragsformulare, die nach etwaiger Entmündigung fragen und nach dem Geburtsnamen der Mutter. Muss das sein?

Der stellvertretende Leiter des Stadtamts, Joachim Becker, klärt auf über behördliches Procedere: Wenn jemand wiederholt in Sachen Fischereirecht oder Tierschutz gesündigt hat oder gar als Fischwilderer verurteilt wurde, werde ihm der Schein versagt. Es gelte, „charakterlich schwache Personen“ vom Uferrand fernzuhalten, so Becker. Den Anglern geht es da nicht anders als Maklern, Spielhallenbetreibern, Jägern und anderen Zeitgenossen, die einer staatlichen Erlaubnis bedürfen.

Indes: Auch, wer einen blütenweißen Auszug aus dem Zentralregister vorweisen kann, hat noch lange keinen Fischereischein. Ortsbesuch im Stadtamt. „Bitte eintreten ohne Anzuklopfen“ steht auf der Tür, hinter der Jäger und Fischer administriert werden. Hier wirkt eine – man muss es sagen – humorlose Sachbearbeiterin. Das mag daran liegen, dass sie tagein, tagaus einsamen Blickkontakt mit einigen verstaubten Fischtrophäen hat, nebenan ein Rudel Geweihe.

Doch die Frau versteht einfach nichts von den Nöten der Angler, weiß nichts von petrijüngerschem Suchtverhalten, dem Drang, das Geheimnis trüber Gewässer zu entschlüsseln, und das zu jeder Jahreszeit. Und so sagt sie einfach: „Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt drei Monate.“ Nun mag es ja angehen, dass man wegen „Personalmangels“ in Bremen drei Monate aufs Erziehungsgeld warten muss. Aber auf den Fischereischein? In anderen Städten dauert die gesamte Prozedur höchstens, allerhöchstens ein halbes Stündchen. Auf die Einlassung, die Stadt Bremen zwingen einen ja praktisch zum Schwarzangeln, reagiert die humorslose Dame mit einem fischkühlen „Passen Sie auf, dann kriegen Sie gar keinen Schein mehr!“ Der Nächste bitte.

Immerhin: Hat man ihn einmal, gilt das gute Stück ja bis zum Tode. Das sei so geregelt worden, sagt Amtsleiter Becker, weil der Fischereischein nicht „sicherheitsrelevanter“ als etwa ein Führerschein sei. Die Frage ist nur: Wie lange muss ein Angler leben, bis sich der Bremer Fischerführerschein armortisiert hat? Andernorts kosten – ein Jahr gültige – Scheine um die 20 Mark. Schnöder Materialismus. Schließlich geht es beim Angeln doch um ganz andere Dinge. Die Erotik des Wartens beispielsweise, Meditation, Liebe. Wenn die drei Monate doch nur schon um wären!

Ein darbender Angler

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