: Bitter schmeckendes Marzipan
Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe schwingt Sparkeule. Unmut auch bei SPD ■ Von Peter Ahrens
Das Holstentor bleibt unangetastet. Das ist aber auch fast das einzige, das Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) ausgespart hat, als er im Oktober des Vorjahres seine Vorschlagsliste für ein Sparpaket der Stadt vorstellte. Seitdem wird in Lübeck heftig diskutiert: Über die Rolle der öffentlichen Hand ebenso wie darüber, ob sich die Kommune um des Sparens willen aus ihrer sozialen Verantwortung stiehlt. Das Sparpaket soll im kommenden Monat von der Bürgerschaft verabschiedet werden. Doch auch in der SPD herrscht Unmut über Saxes Alleingang.
Der Bürgermeister, seit nicht einmal einem Jahr im Amt, spricht nach wie vor von einem „großen Befreiungsschlag“, wenn er auf seine Sparliste der Grausamkeiten angesprochen wird. Auf der steht nicht nur die Teil-Privatisierung von Stadtwerken und Hafengesellschaft. Saxe hatte auch vor, die Förderung von sozialen Einrichtungen breitflächig zu kürzen, die Aufgaben sowohl von Grünflächenpflege als auch der Stadtreinigung abzugeben, die Leistungen der Stadtbib-liothek einzuschränken, ein städtisches Bad zu schließen und den Lübeck-Pass, mit dem sozial Schwache Ermäßigungen bei Eintritten und Fahrausweisen erhalten, abzuschaffen.
„Ich weiß, dass jeder einzelne Vorschlag Zündstoff enthält“, hatte der Bürgermeister bei der Vorstellung seines 28-Punkte-Programmes gesagt und trotzdem selbst Lunte gelegt. Nach heftigen Debatten auch innerhalb der Sozialdemokratie, die die Geschicke Lübecks gemeinsam mit der CDU bestimmt, wurde parteiintern eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Liste des Bürgermeisters überarbeiten soll. Sie hat inzwischen zehn der 28 Punkte gekippt, unter anderem die Kürzungen für die sozialen Vereinigungen und die Privatisierung der Stadtreinigung. Auch die Abschaffung des Lübeck-Passes ist bereits vom Tisch, auch wenn Saxe seine Liste immer noch öffentlich verteidigt. Die Stadt hat eine Milliarde Mark Schulden, da könne es „nicht einfach heißen: Weiter so!“
Während die CDU Saxes Kurs stützt, spricht die SPD-Parteilinke von einer „Sparorgie“. Man werde die Kürzungen nicht mittragen, sagt Juso-Chef Kai Burmeister, selber Mitglied der Bürgerschaft. Er gehört zu den UnterzeichnerInnen eines Aufrufes, der „neue Weichenstellungen anstatt kurzsichtiger Sparbesessenheit“ fordert. Die UnterzeichnerInnen – unter ihnen der grüne Fraktionschef Carl Howe und der Schriftsteller Christian von Ditfurth – haben zu einem Kongress eingeladen, auf dem am 10. Februar über Alternativen zum reinen Einsparen nachgedacht wird.
Saxes KritikerInnen werfen dem Bürgermeister Panikmache vor. „Es hat schon fast etwas Religiöses, wie Saxe seinen Sparkurs verkauft“, sagt Burmeister: Das sei „in der Dramatik eine gute Inszenierung, aber ziemlich übertrieben“.
Kongress „Lübeck zwischen Sparpolitik und sozialer Verantwortung“, 10. Februar, 11 bis 16.30 Uhr, Gewerkschaftshaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen