Harte Landung für Start-ups

In der Internetbranche breitet sich Ernüchterung aus. 50 Firmen, schätzen Kenner der Szene, haben bereits dichtgemacht, ein Drittel aller Unternehmen steckt in der Krise – denn das Kapital bleibt aus

von MAJA DREYER

Der Boom der Berliner Start-up-Szene ist vorbei. Jetzt breitet sich Ernüchterung aus. Bereits bis zu 50 Unternehmen mussten in jüngster Zeit schließen. Das schätzt zumindest Christopher Schering, Berliner Sprecher des Start-Up Zusammenschlusses „Silicon City Club e.V.“. Die meisten dieser Unternehmen seien noch ohne Risikokapital finanziert worden. Nach Scherings Schätzungen gibt es in der Hauptstadt derzeit noch etwa 400 Start-ups.

Bernd Hardes, Vorstand der Berliner Venturekapital-Firma Econa, geht davon aus, dass sich derzeit ein Drittel aller Berliner Start-ups in einer Krise befindet. „Von allen Internetfirmen, die im Laufe des letzten Jahres gegründet wurden, werden langfristig nur ein Drittel überleben können“, sagte Hardes zur taz. Er glaubt nicht, dass es eine richtige Entlassungswelle geben werde. In Berlin würden aber einige hundert Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Ausschlaggebend für den Stimmungsumschwung ist die veränderte Haltung der Investoren. Als Reaktion auf die Kehrtwende am internationalen Finanzmarkt stellen sie weniger Risikokapital zur Verfügung. „Es wurde zu unkontrolliert zu viel Geld in den Markt geschüttet“, sagt Schering, der selber der Kindercampus AG vorsteht. Das junge Durchschnittsalter der Teams und die Option auf ständige Weiterfinanzierung hätten zu Missmanagement geführt.

Auch Econa-Chef Hardes räumt ein, dass noch im letzten Frühjahr „unsinnige Unternehmensgründungen“ finanziert wurden. „Ein großer Fehler war, dass man nur geschaut hat, was technisch möglich ist, und sich nicht darum kümmerte, ob jemand dafür bezahlen würde.“

Die Kenner der Szene betonen aber einstimmig, dass zurzeit ein ganz normaler Ausleseprozess stattfinde. Berlin ist von dieser Entwicklung deshalb besonders betroffen, weil es zum einen neben Hamburg, München und Köln an der Spitze der Internetstädte Deutschlands steht.

Zusätzlich, so erläutert Schering, gebe es in der Hauptstadt einen Fokus auf den „Business-to-Consumer“-Bereich. Das sind nicht nur Internetshops. Häufig bieten Firmen ihren Kunden einen kostenlosen Service an und versuchen, sich aus Werbeeinnahmen und Kooperationen mit anderen Unternehmen zu finanzieren. Genau in diesem Bereich werden aber die meisten Einsparungen vorgenommen.

Beispiel für ein gescheitertes Start-up dieser Art ist das schwedische Internetportal Citikey, das seine Berlin Niederlassung Ende Dezember schloss. Mit ihrer Verbindung von Internet und WAP-Handys beziehungsweise Handcomputern hatten die Gründer eine neue Form eines mobilen Reiseführers entwickelt. Überall in der Stadt waren Touristikinformationen jederzeit abrufbar.

„Wir hatten jedoch nicht eingeschätzt, dass kurzfristig so wenig Geld damit gemacht wird“, resümiert der ehemalige Leiter der Berliner Citikey-Redaktion Michael Rediske. Verträge mit anderen Firmen seien nur wenige zustande gekommen, weil keine Aussichten auf Einnahmen bestanden hätten. Schließlich konnte die Mutterfirma in Schweden kein weiteres Kapital auftreiben.

Ebenfalls im Dezember schloss die Berliner Niederlassung von Freefund seine Pforten. Das Unternehmen mit Sitz in Schweden sammelte auf seinem Portal Stipendienangebote, die es an Studenten weitervermittelte. „Das Konzept funktionierte, wir haben Umsatz gemacht, aber wir hätten eben noch ein bisschen länger gebraucht, um schwarze Zahlen zu schreiben“, sagt Irene Oppertshäuser, Mitgründerin des Berliner Büros. Jetzt besteht nur noch die schwedische Seite, die sich selber tragen kann. In der Branche ist dies ein typisches Beispiel für die Reaktion auf Geldmangel: Internationalisierung und Marketing werden zurückgefahren, man konzentriert sich auf die Kernkompetenzen.

Michael Wehran, Sprecher der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, sieht in dieser Krise auch etwas Positives. Ein realistischeres Denken werde möglich und so entstehe die Chance, die Firmen „solider zu entwickeln“. Oder, um mit Bernd Hardes zu sprechen: „Die Branche wird erwachsen.“