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Betr.: Die haben aus ihrer Sicht Erfolge, taz hamburg vom 20. Januar 2001
Fehler der Presse
Ich komme aus Elmshorn, wo vergangenes Wochenende zum zweiten Mal eine Versammlung von Rechtsradikalen genehmigt wurde. Im Nachhinein kann man froh sein, dass diese Veranstaltungen zugelassen wurden, denn sie haben aus meiner Sicht zwei Fakten herausgestellt. Erstens erzeugten sie eine Gegenreaktion in Form einer Kundgebung friedlicher Menschen aus allen sozialen Schichten und Interessengruppen, die zahlenmäßig weitaus stärker war als der rechte „Bonsai“-Aufmarsch („Bonsai“, weil die Rechten, obwohl aus ganz Norddeutschland zusammengekarrt, es auf gerade zweihundert Gesinnungskameraden brachten), und die gezeigt hat, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich gegen die Unbelehrbaren zu stellen, sehr groß ist.
Zweitens zeigten diese Veranstaltungen jedoch auch, wie durch eine der Größe des Aufmarsches völlig unangemessene Medienpräsenz den rechten Teilnehmern die Möglichkeit gegeben wurde, trotz der geringen Stärke eine überaus wirksame Eigenwerbung zu betreiben. Und dies, so wird ihre Wahrnehmung gewesen sein, geschützt und begleitet durch die Polizei.
Diese Wirkung muss sich, wie es Herr Wagner richtig dargestellt hat, die freie Presse zuschreiben lassen, die in diesen Tagen den Namen Elmshorns in Verbindung mit der Veranstaltung öfter aufgegriffen hat als jemals zu meinen Lebzeiten zuvor.
Durch das – wohl beschlossene – Ende der NPD werden sich neue rechte Gruppierungen bilden, die aus bisherigen Geschehnissen gelernt haben und sich nicht mehr z.B. durch offene Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen ihrer verfehlten politischen und sozialen Einstellungen überführen lassen. Je größer der Rahmen ist, in dem über derartige „Kleinkundgebungen“ berichtet wird, desto interessanter werden diese Gruppierungen für Menschen, die bisher keinen Halt in der Gesellschaft gefunden haben und so das Gefühl gewinnen könnten, an einer gemeinsamen, großen Bewegung teilhaben zu können.
Remember the Thirties!
Timm Müller-Schmalfeldt
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