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Blühende Bio-Landschaften

Brandenburger Ökobauern sehen in der BSE-Krise eine historische Chance für den Umstieg auf Ökolandbau. Ministerpräsident Stolpe hält einen Anteil von 20 Prozent in drei Jahren für realistisch

Die klassischen Öko-Vertriebswege bedienen nur einen Nischenmarkt

von RICHARD ROTHER

Die Stimmung unter den Brandenburger Ökobauern ist gut wie lange nicht mehr. So viel Aufmerksamkeit hatten sie noch nie – kaum ein Werbeetat dieser Welt hätte dies erreichen können. Und: nicht nur die Verbraucher rennen Ökobauern und -Händlern die Bude ein. Immer mehr Produzenten spielen mit dem Gedanken, auf ökologischen Landbau umzustellen. „Täglich gibt es Anfragen von Bauern aus der Region“, sagt Gabriele Kuczmierczyk von der Grünen Liga. Zusammen mit anderen Umweltverbänden informiert sie auf der Grünen Woche über die Aussichten des Ökolandbaus in der Region.

Und die sollen rosig sein. Geht es nach dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD), können die Bauern der Region binnen drei Jahren den Anteil des Ökolandbaus auf 20 Prozent hochschrauben. Brandenburg wäre damit wesentlich schneller am Ziel als die restliche Republik. Schließlich will die neue Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) dem Ökolandbau erst innerhalb der nächsten zehn Jahr einen Marktanteil von 20 Prozent verschaffen. Das scheint allerdings auch realistischer: Schließlich dauert es mindestens zwei Jahre, bis eine Bauer auf ökologischen Anbau umgestellt hat.

In Brandenburg beackern schon heute rund 350 Betriebe rund sechs Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen ökologisch. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil des Ökolandbaus bei gerade mal 2,4 Prozent. Die Brandenburger Vorreiterrolle – nur in Mecklenburg-Vorpommern ist der Öko-Anteil noch höher – hat mehrere Ursachen: eine davon sind die schlechten Sandböden in der Mark. Oft lohnt es sich für Bauern schon aus ökonomischen Gründen nicht, Kunstdünger auf die Felder zu fahren. Denn schon der nächste Regenguss würde das nicht gerade billige Zeug sofort wieder wegspülen.

Weit lukrativer ist der Düngemitteleinsatz auf Böden, die das Wasser besser halten. Wenn Bauern ohnehin auf Chemiedünger verzichten müssen, fällt der Umstieg auf Öko leichter. Schließlich locken fünf Jahre lang Subventionen von Land und Europäischer Union

Der hohe Ökolandbau-Anteil liegt aber auch an der durch die DDR geprägte Struktur der Brandenburger Landwirtschaft. Wenigen Kleinbetrieben stehen die großen Agrargenossenschaften gegenüber, die aus den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR entstanden sind. Entschließt sich ein Großbetrieb, auf Ökolandbau umzustellen, wirkt sich das besonders positiv auf die Stastitik aus.

Michael Wimmer, Sprecher der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL), sieht noch einen weiteren Grund: „Im Osten gibt es nicht die tiefen ideologischen Gräben zwischen der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft.“ Brandenburger seien einfach pragmatischer. In seinem bayerischen Heimatdorf sei es noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen, dass ein Bauer auf „öko“ umstelle. „Der wäre in der Wirtschaft geächtet worden.“

Wimmer sieht angesichts der BSE-Diskussion eine „historische Chance“ für den ökologischen Landbau – insbesondere in der Region. Die Nähe zu Berlin und die gewachsenen Strukturen vor Ort böten für einen Ausbau gute Chancen. Schließlich gebe es bisher bereits rund 350 Bioläden in der Region.

Die Vermarktung ist jedoch das A und O für die Ökobauern. Die Ökoprodukte kann man bisher ab Hof kaufen, sich per so genannter Abo-Kiste an die Haustür liefern lassen oder in Naturkostläden einkaufen. Der Kistenabsatz hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Ökobauern beliefern zur Zeit rund 4.000 Berliner Haushalte direkt mit den Feldfrüchten der Jahreszeit. Das entspricht einer Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Obwohl Bestellung und Abnahme der Kisten für manche Kunden zu umständlich ist, schätzen Branchenkenner das Potenzial auf bis zu 20.000 Kisten pro Woche.

Dennoch können die klassischen Öko-Vertriebswege kaum mehr als einen Nischenmarkt bedienen. „Ökoprodukte müssen noch mehr in den normalen Supermarkt“, so Wimmer. In Österreich mache eine große Kette bereits 30 Prozent ihres Umsatzes mit Ökoprodukten. Sollte die Landwirtschaftsministerin Küdnast ein neues, staatlich geprüftes Öko-Siegel durchsetzen, sei dieser Erfolg auch in Deutschland möglich – wenn der Einzelhandel mitspiele, glaubt der FÖL-Sprecher. Und: „Wir brauchen eine große Werbe- und Imagekampagne für ökologische Produkte.“

Bis dahin versuchen die Ökobauern, mit neuen Marketingstrategien die Gunst der Stunde zu nutzen, gehen gezielt auf Großabnehmer wie Kantinen und Hotels zu. So gibt es im Reichstagsrestaurant bereits täglich ein Bio-Menü. Und das Bio-Gut Brodowin beliefert schon 25 Kitas mit Öko-Food.

Auch die Ökoläden haben umgestellt, um den Kundenansturm zu bedienen. Durch einen schnell organisierten Zusammenschluss von Erzeugern, Verarbeitern und Bioläden kommt bereits in der nächsten Woche ein neues Produkt in die Naturkostläden: haltbare Wurst- und Fleischwaren in einer Vakuumverpackung, die kompostierbar ist. Der Vorteil für die Läden: Sie brauchen keine aufwändigen Fleischtheken einrichten.

Allerdings offenbart dies ein Problem in der Struktur der regionalen Öko-Szene. Während die Kapazitäten bei Erzeugern und Verkäufern eine deutliche Umsatzsteigerung zuließen, hapert es bei der Verarbeitung. In Berlin gibt es gerade mal zwei Ökofleischereien, auch passende Getreidemühlen sind rar. Die Folge: Brandenburger Ökokörner werden schon mal nach Bayern gekarrt, um dort schonend gemahlen zu werden. In Berlin zurück, wird in einer Ökobäckerei daraus Ökobrot gebacken – um letztlich auf dem Tisch einer Öko-WG zu landen. Nicht gerade ökologisch.

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