: Die Informationsfreiheit des Arbeiters
In Spanien wollen Unternehmen den Gewerkschaften verbieten, E-Mails an die Arbeitsplätze zu verschicken
Wem gehört die E-Mail auf der Arbeit? Dem Betrieb oder dem Angestellten? Diese Frage beschäftigt Spaniens Internauten und seit wenigen Tagen auch die Gerichte. Die größte Gewerkschaft des Landes, CC.OO. (www.ccoo.es), hat das Bankenkonsortium BBVA (www.bbva.es) verklagt. Denn die Informatiker des Hauses haben im Mailsystem einen Filter installiert, der verhindern soll, dass Informationen der Gewerkschaft und des Betriebsrats auf elektronischem Weg an die Angestellten gelangen. „Diese Praktik verstößt gegen die Informationsfreiheit und gegen die in der Verfassung festgeschriebenen gewerkschaftlichen Rechte“, heißt es in der Klageschrift der Gewerkschaft. Sie stützt sich auf eine Resolution der Zweiten Kammer des spanischen Parlaments. Darin wird die Regierung aufgefordert, dafür zu sorgen, „dass der Zugang der Arbeiter zur E-Mail am Arbeitsplatz erleichtert wird, und zwar unter Garantie des Briefgeheimnisses“.
Für die Anwälte der BBVA dagegen ist die E-Mail lediglich ein „Instrument zur Arbeit und nicht zur Kommunikation“. Die Bank verstoße deswegen nicht gegen die gewerkschaftlichen Rechte, „da die Benutzung des schwarzen Bretts und eines Versammlungsraums gewährleistet sind“.
„Ich wusste nicht, dass die Verfassung nur bis zum Werkstor Gültigkeit hat“, sagt dazu José Manuel Gomez, der Sprecher der Datenschutzinitiative Kriptopolis (www.kriptopolis.com).
Der Fall der BBVA ist nicht der einzige Verstoß gegen das elektronische Briefgeheimnis am Arbeitsplatz. Auch bei der Tankstellenkette CLH werden die Gewerkschaftsmails ausgefiltert und direkt in den virtuellen Papierkorb umgeleitet. Gomez weiß auch von einem Betrieb zu berichten, in dem die Geschäftsführung vor einem Streik alle Computer einsammeln ließ, angeblich aus Sorge um „vertrauliche Informationen“, die auf den Geräten gespeichert seien. In Barcelona wurde ein Arbeiter entlassen, weil er private Mails schrieb. Der Betroffene hatte vor Gericht freilich schlechte Karten, weil ein Teil der von ihm verschickten Schreiben einen „obszönen Inhalt“ hatte.
Der letzte Fall von Cyberkontrolle spielte sich im Computerunternehmen NCR in Madrid ab. Der dortige Betriebsratsvorsitzende wurde entlassen, weil er während der Arbeitszeit im Internet gesurft hatte.
Neben einer breit angelegten Kampagne gegen die Zensur im Betrieb propagiert Kriptopolis die Benutzung von Verschlüsselungsprogrammen auch am Arbeitsplatz. „Die Technik dazu gibt es. Der Kampf um den Schutz der Intimsphäre ist ein gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung“, so Gomez.
Die Bankenbranche bei CC.OO. (www.comfia.net) fordert nun die Mitglieder auf, Protestmails an die BBVA zu schicken. „Wir bitten euch, nur jeweils eine Mail zu schicken, damit die Bank nachher nicht behaupten kann, wir würden Mailbombing betreiben“, heißt es in dem Aufruf.
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