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Gutachter rüttelt an PKK-Theorie

■ Gutachten im Bunkermordprozess: „Politische Organisationen machen sowas professioneller“ / Mordmotiv doch Ehrverletzung?

Auch fünf Monate nach Verhandlungsbeginn sind im Bunkermordprozess viele Fragen offen. Insbesondere die nach einem genauen Motiv für den brutalen Doppelmord im August 1999, bei dem Ayse Dizim (25) am Bunker Valentin im Schlamm erstickt und ihr Mann Serif Alpsozmann (25) lebendig überfahren worden waren.

Ein gestern erstattetes Gutachten rüttelt an der Theorie der Staatsanwaltschaft, wonach der Mord von der verbotenen PKK beauftragt wurde, um an einem – ausgerechnet nach Öcalans Festnahme – verliebt-privatisierenden PKK-Pärchen ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Das jedenfalls erklärte der ethno-kulturelle Gutachter, Psychologe und Soziologe, Ilhan Kizilhan. Er hatte die drei Angeklagten, die die Beteiligung am Mord gestanden haben, untersucht.

„Ich habe keine befriedigende Antwort darauf gefunden, warum man diese drei Männer mit einem Mord beauftragt haben soll“, führte der Gutachter im Landgericht aus. „Bei politischen Organisationen wird sowas viel professioneller gemacht“, stärkte er zugleich die Verteidigungslinie des vierten Angeklagten, Mehmet E.. Der ist als bremischer „PKK-Raumverantwortlicher“ der Anstiftung zum Mord angeklagt. Seine Verteidiger hatten die Tat immer als für die PKK „ausgesprochen untypisch“ bezeichnet.

Als nicht ganz ausgeschlossen gilt also auch noch, dass es sich um eine „aus dem Ruder gelaufene“ Aktion zur Rettung der Familienehre der Frau handeln könnte. Deren Vater tritt zwar als Nebenkläger auf, gegen seinen ältesten Sohn, der in gehobenen PKK-Kreisen in Holland verkehrt, wird aber ermittelt. Hier verläuft die theoretische Verbindungslinie: Da es sich beim ermordeten Serif Alpsozman um einen im Guerrillakrieg verletzten „Märtyrer“ handelt, könnte für ihn, quasi an Stelle der Familie, die PKK – und damit vielleicht der Bruder der Ermordeten – zuständig geworden sein. Unstrittig ist, dass der Kriegsveteran nach traditionellen Maßstäben die Familie seiner Frau entehrt hat. Denn erstens hätte er – nach landläufiger Annahme – als PKK-Kriegsheld nicht heiraten dürfen. Und zweitens nicht gegen den ausdrücklichen Willen der Familie.

Es liege also völlig im Rahmen, die PKK zur Hilfe zu rufen, sagte Kizilhan. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, die Ehre der Familie vermittelnd wieder herzustellen. Einen Mord, wie geschehen, „nur wegen einer Beziehung“, habe er noch nie erlebt. Auch dass Ayse symbolisch geschändet worden sei – indem die Täter der Toten Schlamm auf dem Kopf häuften – sei ihm in dieser Form unbekannt.

Warum aber kam es zur Tat? Und warum durch die Angeklagten, denen der Gutachter attestierte, sie würden mit „der kurdischen Sache“ zwar sympathisieren, in Bezug auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK aber zugleich Zurückhaltung wahren. Zwar überhöhe beispielsweise der angeklagte Sohn einer jesidischen Sheik-Familie, Iskender T., die PKK. „Er glaubte, dass die Partei das Unmögliche möglich machen kann“, nicht zuletzt, weil einst PKK-Chef Abdullah Öcalan die bis dato unterdrückte religiöse Minderheit der Jesiden erstmals zu gleichrangigen Kurden aufgewertet hatte. Dennoch habe der von den Mitangeklagten unterschiedlich belastete Iskender T. Angebote, sich für die PKK um Jesiden in der Türkei zu kümmern, abgelehnt. „Als Kader hätte er für die Partei alles aufgeben müssen.“ Das habe er offenbar nicht gewollt. So blieb er „Frontmann“, der höheren PKK-Leuten Fahr-, Hotel- oder sonstwelche Dienste leistet. Ein „Sympathisant“ innerhalb der straffen PKK-Hierarchie.

Ebenso wie die beiden anderen Mordangeklagten hätte er deshalb einen Tötungsbefehl verweigern können, den der flüchtige Bremer PKK-Funktionär „Servet“ gegeben haben soll. „Sympathisanten sind nicht weisungsgebunden“, so der Gutachter. Den Männern hätte höchstens eine Art „Verbannung“ aus bremischen PKK-Kreisen gedroht, erklärte er. Zugleich ließ der Gutachter erkennen, dass dies für die Angeklagten, „die alle tief verwurzelt in der kurdischen Diaspora um die PKK sind und keine deutschen Freunde haben“, ein harter Schlag gewesen wäre. ede

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