: Fluchtwegtester laufen in die Irre
Stiftung Warentest kritisiert schwere Mängel im Brandschutz am Bahnhof Zoo und am Alex: Fluchtwege sind zu lang und schlecht markiert. Bahn weist Vorwürfe zurück: Bahnhöfe entsprächen neuesten Kriterien
von WIBKE BERGEMANN
Wenn es brennt, können große Gebäude wie Bahnhöfe schnell zur Falle werden. Auch auf den Berliner Bahnhöfen Zoologischer Garten und Alexanderplatz ist der Brandschutz einem Test der Stiftung Warentest zufolge gerade mal „befriedigend“.
Die Februarausgabe von test berichtet von gefährlichen Mängeln in den beiden Bahnhöfen. Dies gelte gleichermaßen für den ober- und den unterirdischen Bereich. Dabei hapert es an den einfachsten Dingen. Im Bahnhof Zoo hingen nicht einmal Schilder, um die Fluchtwege zu kennzeichnen. Zudem gebe es zu wenig Vorkehrungen für die frühzeitige Erkennung und Bekämpfung von Bränden. Und sei erst einmal ein Brand ausgebrochen, behindere das komplizierte Wegesystem im U-Bahn-Bereich die Flucht. Auch die Feuerwehr müsse in einem Notfall zu lange Wege zurücklegen.
Sogar auf dem frisch renovierten Bahnhof am Alex entdeckten die Tester Sicherheitsrisiken. So sei die Ausstattung mit Wandhydranten und Feuerlöschern erstaunlich schlecht. Fluchtwege seien zu lang und verwirrend ausgeschildert. An den Rolltreppen drohten im Notfall Staus.
„Der Brandschutz auf den Berliner Bahnhöfen entspricht der Landesbauordnung“, wiegelt hingegen Achim Staus, stellvertretender Bahnsprecher für Berlin und Brandenburg, ab. „Wir haben das Glück, dass die Berliner Bahnhöfe entweder neu oder gerade umgebaut sind und den neuesten Sicherheitskriterien entsprechen“, so der Sprecher. Immerhin plane die Bahn, 800 Millionen Mark bis 2008 in eine höhere Sicherheit auf deutschen Bahnhöfen zu investieren. „Allerdings ist der Bedarf in anderen Gegenden weitaus höher als in Berlin“, gibt Staus zu bedenken. Für den Bahnhof Zoo habe die Bahn nur kleinere Umbauten geplant, am Alexanderplatz sei das gar nicht nötig.
Die Sicherheitsvorkehrungen in den U-Bahnhöfen entsprächen den gesetzlichen Richtlinien, versichert Gerold Müller von der Fachabteilung für Verkehr in der Bauverwaltung. Die Ausschilderung der Rettungswege sei aber nicht geregelt, so Müller. Bis Mitte des Jahres will der Senat ein Sicherheitskonzept für die U- und S-Bahnen vorlegen.
Das Problem ist spätestens bekannt, seit im vergangenen Jahr bei einem Feuer im U-Bahnhof Deutsche Oper während der Love Parade 21 Personen verletzt wurden. Erst am Mittwoch forderten die Berliner Grünen im Bauausschuss erneut, dass alle unterirdischen Bahnhöfe mindestens zwei Ausgänge erhalten. „Dass nichts getan wird, zeigt das Beispiel Bahnhof Schillingstraße“, meint der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Michael Cramer. Dort sei einer der beiden Ausgänge zugemauert. „Es wäre einfach, diesen Fluchtweg wieder zu öffnen“, so Cramer.
Die schlechten Sicherheitsbedingungen in Berlin sind offenbar keine Ausnahme. Keiner der acht in Deutschland getesteten Bahnhöfe kommt in den beiden Kategorien Brandschutz und Evakuierung auf das Ergebnis „gut“. „Dabei sind die Lösungen oft recht einfach. Das fängt bei einer übersichtlichen Ausschilderung an“, sagt ein Sprecher der Stiftung Warentest. „Viele Notausgänge wurden verschlossen gefunden.“
Ein nur ausreichendes Ergebnis erhielten in Deutschland die Hauptbahnhöfe in München und Frankfurt/Main. In München fehle vor allem eine effektive Entrauchung. Denn gefährlicher als das Feuer sei der Rauch: Das Einatmen der giftigen Dämpfe führt schon in wenigen Minuten zum qualvollen Tod.
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