Gefängnis voll glücklicher Paare

■ Diplom: Susanne Meyers „Entführung aus dem Serail“

Zwei Hände, die sich einander entgegen strecken: Eine weiße Leinwand mit diesem Motiv wird von den Akteuren je nach Gefühlslage weitergezeichnet, mit einem Messer eingeschnitten, zerrissen.

In ihrer Inszenierung von Mo-zarts Entführung aus dem Serail an der Hamburger Musikhochschule präsentiert Susanne Meyer, die mit dieser Oper ihr Regiediplom ab-legt, das Gefängnis des Serail als Ballungsraum des Gefühls. Ein abstraktes Bühnenbild und zeitlose Kostüme lenken den Fokus auf das innere Geschehen. Bassa Selim, ursprünglich Verkörperung aufklärerischer Humanität, wird zum Gefühlsmenschen: Romanzitate Javier Marías, bei verdunkelter Bühne über Mikrophon in die Stille gelesen – spektakulärer Effekt im geräuschvollen Operngenre – dienen der Wiedergabe seiner Sehnsüchte.

Bei aller konzeptionellen Stren- ge lässt die Inszenierung den Dar- stellern Freiraum, den sie weidlich ausnutzen. Rochus Triebs lieferte einen agilen Pedrillo, wobei er sich in der Dienstagsaufführung ganz aufs Schauspiel verlegen konnte: Erkältungsbedingt singunfähig, wurde er vom aus Berlin herbeige- eilten Peter Koppelmann im Or- chestergraben gedoubelt.

Mit leichtem Sopran war Franka Kraneis eine freche Blonde, Bühnenschauspieler Boris Freytag, auch aus TV-Serien bekannt, unterstrich Würde und Macht des Bassa. Darstellerisch etwas unbeweglich, bestach Daniel Behle als Belmonte mit schwebendem, hellem Tenor, während die erkältete Verena Rein mit der Konstanze-Partie stimmlich Mühe hatte, aber durch empfindsames Spiel überzeugte. Andreas Hörl, für die nächste Saison von der Hamburger Staatsoper gebucht, warf sich mit seiner korpulenten Statur in eine hemmungslose Osmin-Darstellung und führte seinen voluminösen Bass leicht und mit betörendem Klang in tiefste Gefilde. Unter Manfred Richter lieferte das Albert-Schweitzer-Jugendorchester eine freudig über- schäumende Begleitung, der Chor sang klar und intonationssicher.

Meyer sieht in Konstanze und Bassa Selim sowie in Blonde und Osmin potentiell glückliche Paare, was die Originalvorlage gegen den Strich bürstet: Als ständiges erotisches Knistern schlug es sich zwischen den Akteuren nieder. Bisweilen wirkte die Symbolsprache der Inszenierung plakativ, doch insgesamt war es eine Aufführung mit eindrucksvollen Effekten sowie stimmlichen und schauspielerischen Höhepunkten, die das Publikum mit begeistertem Beifall honorierte. Katharina Kramer

weitere Vorstellungen: heute, 31.1. + 2.2., jeweils 19.30 Uhr, 4.2. 16 Uhr, Musikhochschule