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Verhältnislose Härte

Beim Weltwirtschaftsgipfel (WEF) in Davos zeigt die Schweizer Polizei keine Gnade und setzt bei Schneetreiben und Minusgraden Wasserwerfer ein

aus Davos PIETER POLDERVAART

In Klosters ist vorläufig Endstation. Einheiten der Genfer Gendarmerie in Sturmhauben – für Schweizer Verhältnisse sind vermummte Polizisten ein höchst seltener Anblick – überprüfen die Anreisenden per Gesichts- und Ausweiskontrolle. Weiter geht’s per Bus. Nochmals eine Polizeisperre, dann endlich: Davos ist erreicht.

Nur ein Zehntel der KritikerInnen des 31. Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos erreichen überhaupt den Bündner Luftkurort. Ausländische DemonstrantInnen werden mehrheitlich schon an der Grenze zurückgewiesen, der Zugverkehr eingestellt. Als der Intercity aus Basel und Zürich eintrifft, werden die ProtestlerInnen unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen nach Zürich zurückverfrachtet. Frustrierte WEF-GegnerInnen schließen sich einer Autobahnblockade an. Resultat: ein mehrstündiger Verkehrszusammenbruch im Raum Landquart.

Inzwischen sammeln sich bei heftigem Schneetreiben und Minustemperaturen am Davoser Bahnhof zwischen 200 und 300 WEF-KritikerInnen. Die unbewilligte Demo endet im eiskalten Wasserwerfer-Regen an der zweiten Gitterbarrikade, einen guten Kilometer vom WEF-Kongresszentrum entfernt. Statt in Davos wird später in Zürich demonstriert. Bilanz: 100 Verhaftungen, mehrere hunderttausend Franken Schäden an Autos und Schaufenstern.

Viktor Györffy, Anwalt der Organisationen, die ein Demo-Gesuch eingereicht hatten, ist empört: „Eine solche Militarisierung hat die Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt.“ Die Geschichte hat ein politisches Nachspiel. Die grüne Parlamentarierin Pia Hollenstein will die „permanente Verletzung des Rechts auf Meinungsäußerung“ selbst am bewilligten Gegengipfel „The Public Eye on Davos“ im Nationalrat aufs Tapet bringen.

Nicht nur politisch, auch wirtschaftlich gerät das Stelldichein der Weltelite unter Druck. Abgesehen von der Spitzenhotellerie beschert das WEF dem traditionsreichen Ferienort eine zweiwöchige Flaute, weil die Stammgäste um ihren Ferienfrieden fürchten.

„Wo Grundrechte dermaßen unter die Räder geraten, ist eine Weiterführung des WEF stark in Frage gestellt“, prognostiziert Anwalt Györffy. Damit ist er nicht allein. Gemäß Umfragen finden 70 Prozent der SchweizerInnen gewaltfreie Demos der Globalisierungsgegner „in Ordnung“.

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