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Zum Niederknien

■ Neu im Kino: „Grüne Wüste“ ist zum Glück KEIN Rinderwitz, spielt aber auf dem Lande und handelt, wovon Filme handeln sollten: von Krankheit, Liebe und Tod

Katjas Mama hat ein Verhältnis mit dem Vater ihres besten Freundes Johann. Als der dann auch noch an Leukämie erkrankt, entfleucht sie in eine Traumwelt, die von mutigen Rittern und schönen Frauen bevölkert ist – „Heavenly Creatures“ lässt grüßen. „Grüne Wüste“ zeigt den Bremern, wie schön eine saftgrüne bayrische Mittelgebirgslandschaft ist, was jugendliche Durchsetzungskraft so alles zustande bringt und wie die systematische Untersicht der Kamera ein Mädchen, das zur Zeit des Drehs (1998) knappe 13 war, die gestandensten deutschen Schauspielrecken (Martina Gedeck als femme fatale vom Dorf mit dem bayerischen Filmpreis ausgezeichnet, Heino Ferch als sensibler Suffkopf, Ulrich Noethen als weichherziger Schweiger) toppt in Sachen Leinwandpräsenz. Johann-Darsteller Robert Gwisdek, Jahrgang 1984, und Regisseur Anno Saul erzählen von der Magie roter Badezimmerkacheln und von Gameboys als Entspannungsmittel.

taz: Die Erwachsenen des Films sind Wirrköpfe, wenn auch der sympathischen Sorte. Klar ihren Weg geht nur das Mädchen: die klassische Jugendfilm-Struktur, wo ja Kids dazu ermuntert werden sollen, sich nicht unterkriegen zu lassen vom sie umgebenden Chaos. Wären Sie böse, wenn ich „Grüne Wüste“ als schönen Jugendfilm bezeichnen täte?

Anno Saul: Ne. Aber das Zielpublikum sind auch die Erwachsenen, und es kommen auch viele, zum Beispiel Ex-Jenseits-der-Stille-Gucker. Der Film stellt die Welt der Erwachsenen auch nicht einfach als blöd dar, sondern bringt sehr viel Verständnis auf für die Facetten des Erwachsenen-Chaos'.

Die Geschichte ist in tiefster bayerischer Provinz angesiedelt. Warum keine Großstadt? Haben Sie sich am Ende verliebt in diese verlorenen Bushaltestellen, 70er-Jahre-Pilspubs und grusligen Furnierholzküchen?

Ja, und ganz besonders in die roten Badezimmerkacheln. Die sind zum Niederknien. Schließlich komme ich aus einer Stadt namens Aweiler. Meinen ersten TV-Film habe ich in der Eifel gedreht. Außerdem greift man als Regisseur ins Drehbuch nur ein, wenn es gute Gründe dafür gibt, und zwar aus Respekt vor dem Autor. Und ich liebe Grün, verbinde damit Frische, Jugend, Schönheit, sehr zum Ärger der Kameramänner. Wie oft habe ich mir das Gebrumme anhören müssen „hm, Grün also. Das ist aber keine schöne Kamerafarbe.“ Da steh ich auf und sage „Vielen Dank und Tschüss“.

Ein Witz!

Neiiin. Ein wirklich bedeutender Kameramann meinte, kein Problem, machen wir die Wälder ganz einfach blau. Rot ist übrigens die zweite Horrorfarbe für Kameraleute.

Robert Gwisdek, wir duzen uns, geht das?

Nein, auf gar keinen Fall, das geht nicht.

???(wirrwirr)???

Mannnn. Natürlich geht das.

Hat Hanno Saul Dich und Tatjana Trieb mehr umturtelt als die Oldies?

Robert: Er ist schon sehr vorsichtig mit uns umgegangen, aber ich hatte nie den Eindruck, dass er mit irgendwelchen Tricks arbeitet, um uns in irgendeine Richtung zu polen.

Saul: Klar spielt Alter und Erfahrung eine Rolle, mehr aber noch die Persönlichkeit. Bei Robert ist die professionele Distanz zu sich selbst groß. Tatjana dagegen muss man bei der Stimmung abholen, in der sie sich gerade befindet. Sie reagiert superpur. Aber ist die Szene vorbei, steht sie auf und geht an den Gameboy, was irgendwie professionell ist. Vor dem Drehen haben wir drei Tage improvisiert. Lockerungsübungen. Für Robert etwas Gewohntes, Tatjana dachte sich, sie ist hier im falschen Film. Bei Jugendlichen musst du glasklar sein. Mit metaphorischem Rumgeeiere scheiterst du totsicher. Dafür kriegt man wahnsinnig echte Momente.

Die Szene in der Schulklasse. Du kommst von der Chemotherapie, ohne Haare, und Lehrerin und Mitschüler sind nicht gerade liebevoll. Ist dieser Grobianismus nicht ein bisschen Kitsch?

Robert: Nö. In meiner Klasse geht es zwar nicht so zu, aber Lehrer sind genau so; hilflos, aber dann wollen sie eben doch helfen und tun garantiert das Falsche.

Saul: Dazu muss ich jetzt auch was sagen. Ich durfte Schule immerhin 13 Jahre lang erleben, und die sensiblen, guten Lehrer kann ich an einer Hand abzählen.

Wie Du im Krankenhausbett liegst, ein paar zerrupfte Haarbüschel am Kopf, schwarze Lippen, fast als ob der Maskenbilder bekifft war, siehst Du richtig hässlich aus. Ist das nicht unangenehm?

Robert: Ich sehe da nicht häss-lich aus, ich sehe krank aus. Und die Lippen werden be einer Chemo tätsächlich schwarz bepinselt. Als Schauspieler kann ich mir nichts Besseres wünschen, als so übel auszusehen, dann muss ich nur halb so viel durch Spielen ausdrücken.

Sehr professionell.

Danke. Natürlich war es ein biss-chen verschreckend wie Frankenstein auszusehen, aber es hatte auch seinen Reiz.

Ich dachte Theater- und Filmeltern sagen immer „Kind, werde unter gar keinen Umständen Schauspieler.“ Was sagte deine Mutter, Corinna Harfouch, dein Vater, Regisseur Michael Gwisdek.

Meine Eltern haben mich niemals zu irgendetwas gedrängt, aber immer in allem unterstützt. Das mit dem Schauspielern ergab sich so. Da meinten irgendwelche Regisseure zu meiner Mutter, du hast da doch so einen Sohn, wir brauchen so was hinten in der dritten Reihe, kannst du ihn nicht mal kurz ausleihen.

Die Kids wurden deutlich schlechter bezahlt als die Alten?

Saul: Richtig, aber auch ihre Tagesgage entspricht dem Taschengeld ihrer Mitschüler von mehreren Jahren.

Aber beim nächsten Film, verlangst Du dann 20 Millionen, und ich habe dann das erste Zeitungsinterview gemacht mit dem deutschen Leonardo di Caprio.

Robert: Das erste Zeitungsinterview, wie süß.

Nicht das erste?

Nein.

Saul: Na ja, komm. Aber mehr als drei waren's nicht.

Wie gefällt Dir das, in der Marketingmaschinerie mitzumachen?

Robert: Ach. Das kotzt mich alles total an. Ach was, Schmarrn, das macht natürlich sehr viel Spaß: Leute kennen lernen, Städte kennen lernen.

Der Schluss-Schnitt ist schlechter Kitsch, wo man denken soll (es aber nicht tut), Katja stürze sich von der Burgzinne.

Saul: Gefällt mir auch nicht.

Fragen: bk

Tägl. 19 Uhr, Sa/Sa auch 17.15 Uhr im Cinema

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