: Robin Hoods wollen Tycoon jagen
Der flüchtige Exchef des südkoreanischen Daewoo-Konzerns wird jetzt von den Opfern der Asienkrise gesucht
BERLIN/SEOUL taz/afp ■ Eine Armen-Hilfsorganisation in Südkorea will den wegen mutmaßlichen Kreditbetrugs im Ausland untergetauchten Gründer und Exchef des Daewoo-Konzerns auf eigene Faust aufspüren. Ein fünfköpfiges Team werde in Afrika und Europa nach dem 65-jährigen Kim Woo-choong suchen, sagte der Vorsitzende der Organisation „Von den Reichen nehmen und den Armen geben“, Hong Jong-Shik, gestern in Seoul. Kim sei der „schlimmste Wirtschaftskriminelle“ in der Geschichte des Landes, sagte Hong, der die Mitglieder seiner Gruppe als moderne Robin Hoods bezeichnet. Die Organisation war während der schweren Finanzkrise in Asien 1998 gegründet worden.
Auch Gewerkschaften des in einer tiefen Krise steckenden Daewoo-Konzerns hatten angekündigt, ein Team auf die Suche nach Kim zu schicken. Der Tycoon wird in Frankreich, Marokko, dem Sudan oder Deutschland vermutet. Südkorea hat jedoch mit keinem dieser Staaten ein Auslieferungsabkommen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft, die Interpol eingeschaltet hat, machen die Ermittlungen keine Fortschritte. Die Justiz versucht zurzeit, Kims Vermögen zu beschlagnahmen.
Kim wird vorgeworfen, die Fälschung von Bilanzen angeordnet zu haben, um mehrere Millionen Mark an Krediten zu erschleichen, die er dann auf Auslandskonten transferierte. Zum gleichen Zweck soll er auch Scheinfirmen gegründet haben. Mit dem illegal angehäuften Vermögen soll er auch Politiker und Beamte bestochen haben. Der insgesamt entstandene Schaden beläuft sich nach Medienberichten auf 20 Milliarden US-Dollar. Außer Kim sind 30 ehemalige Manager des Konzerns angeklagt.
Der Daewoo-Konzern war im August 1999 zusammengebrochen und hatte einen Schuldenberg von 80 Milliarden Dollar hinterlassen. Am Sonntag hatte die Autosparte Daewoo Motor annähernd 7.000 Entlassungen angekündigt. Gestern teilte das Unternehmen in Seoul mit, dass es vom 12. Februar bis 6. März die Produktion in seinem Hauptwerk Pupyong aussetzen werde, um die Lagerbestände zu senken. Ein zweites Werk werde vom 15. Februar bis zum 6. März geschlossen, die 3.900 Beschäftigten beurlaubt.
Kim hatte 1967 die Textilfirma Daewoo („Großes Universum“) mit zunächst fünf Angestellten gegründet. Mit Rückendeckung der autoritären Regierung machte er daraus innerhalb von dreißig Jahren Südkoreas viertgrößten Mischkonzern mit weltweit 100.000 Mitarbeitern in 24 Konzernsparten und mit einem Jahresumsatz 1996 von 60 Milliarden Dollar. Doch statt dass sich der Umsatz, wie von Kim angepeilt, im Jahr 2000 auf 135 Milliarden Dollar verdoppelte, warf die Asienkrise den überschuldeten Konzern aus der Bahn.
Der Kettenraucher Kim, der einmal von sich behauptete, er könne Geld riechen, galt lange Zeit ehrgeizigen Südkoreanern als Vorbild. Seine Autobiografie mit dem Titel „Jede Straße ist mit Gold gepflastert“ wurde in seiner Heimat über eine Million Mal verkauft. Im Oktober 1999 setzte er sich ins Ausland ab.
SVEN HANSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen