: Sharia meets Anarchie
Verfassungsschutz-Ausstellung malt diffuses „Extremismus“-Bild ■ Von Heike Dierbach
Was ist Freiheit? Bild-Zeitung. Mc Donalds. Bravo Girl. Love-Parade. Cinemaxx. Die Wirtschaftswoche. Christopher-Street-Day. Borussia Dortmund. Sie alle schützt der Verfassungsschutz (VS). Vor: „Rechts,- Links- und Ausländerextremismus.“ Das demonstriert das VS-Bundesamt nun mit einer Wanderausstellung, die gestern in der Hamburger Handelskammer eröffnet wurde: „Es betrifft Dich! Demokratie schützen – Gegen Extremismus in Deutschland.“
Die oben geschilderte Collage begrüßt die jugendliche Zielgruppe im „Portal der Freiheit“. Aus der schönen bunten Welt der parlamentarischen Demokratie ist es jedoch nur ein kurzer Schritt zur „Schwelle zum Extremismus“ – dargestellt durch eine flache Brücke. Betritt sie jemand, leuchten rote Warnlampen. Hinter der Brücke liegt das (auch optisch) dunkle Land des Bösen. Links ein Skinhead mit Baseballschläger, rechts ein Autonomer mit Helm, Hasskappe und Stein in der Hand. In der Ecke die PKK-Fahne. Tafeln, Collagen und Computer-Touch-Screens stellen – bunt durcheinander – „Rechts-, Links- und Ausländerextremismus“ dar: Die Wörter „Sharia“ und „Anarchie“ schweben gemeinsam über den Bildschirm, vom Nazi-Lied „Arisches Blut“ sind es nur ein paar Clicks zur Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes.
„Wir haben das bewusst nicht getrennt“, begründet VS-Sprecher Helmut Heindrichs, „um zu zeigen, dass der Rechtsstaat von allen drei Formen des Extremismus bedroht wird.“ Zum „Linksextremismus“ müsste es nach den Fotos zu urteilen allerdings heißen: „Bedroht wurde.“ Ein Großteil stammt aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: DemonstrantInnen mit Helmen, alte DKP-Plakate, sogar die RAF hat noch ein Regal abbbekommen. Jahreszahlen fehlen zumeist. „Der Rechtsextremismus ist zur Zeit die größere Gefahr“, räumt Heindrich ein, „aber dazu haben wir noch eine eigene Ausstellung.“
Verzichtet hat der VS auch meist auf Hinweise darauf, wo die Fotos aufgenommen wurden: Wer den Aufmarsch der verschleierten Frauen im Fußballstadion mit dem Gewehr in der Hand sieht, könnte denken, in Deutschland stehe der islamistische Gottesstaat vor der Tür. In Wahrheit spielte sich diese Szene aber im Iran ab.
Die Ausstellung schert auch die „Opfer“ über einen Kamm – dargestellt durch stilisierte Gesichter mit Bildunterschriften: „Wegen ihres farbigen Freundes von Neonazis als ,Nigger-Hure' beschimpft worden“. „Wegen seines Anzugs von Linksextremisten als ,Kapitalistenschwein' beschimpft worden.“ Oder – auch ein „Opfer“: „Im Ausland als Deutscher beschimpft worden“. Was diese Aussage hier soll, kann sich Sprecher Heindrich auch nicht so recht erklären: „Das soll wohl darstellen, dass es in anderen Ländern auch Extremismus gibt.“
Bevor die BesucherIn sich wieder auf den Boden der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung retten darf, muss sie durch die „Blackbox“, einen dunklen Gang mit gruseliger Musik. Hier verkli-ckert ihr ein Spiegel, dass Autonome auch ihr morgen einen Stein an den Kopf werfen können. Gäbe es nicht – und das ist die letzte Station der Ausstellung – den Verfassungsschutz. Ihm lacht die demokratische deutsche Gesellschaft nocheinmal von einer große Panorama-Collage zu: Junge, Alte, Männer, Frauen – sogar ein Hund ist dabei. Aber kein einziger Mensch mit farbiger Haut.
Die Ausstellung ist noch bis 20. Februar zu sehen, mo-fr 9-17 Uhr, Eintritt frei
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen