Stereotype aus West über Ost

Stereotype aus den Zeiten des Kalten Krieges wirken bis heute in der Wahrnehmung Osteuropas nach. Während hiesige Medien George Bush oder Klaus Kinkel ihre Geheimdienstvergangenheit nicht vorwarfen, war Wladimir Putin für Monate der Mann, der aus der Kälte kam.

In Deutschland sind zahlreiche Lehrstühle und Institute für Osteuropa ein Kind des Kalten Kriegs. Wenngleich man ihr theoretisches Fundament im Rahmen der generellen Kritik an Area Studies anzweifeln kann, so sorgen sie doch für die Heranbildung von Experten. Wissenschaftspraktisch sind sie daher kaum ersetzbar. In Berlin ist das Osteuropa-Institut trotz des akuten Bedarfs an Fachwissen über die Beitrittskandidaten zur EU wegen der Vakanz zahlreicher Lehrstühle von Schließung bedroht.

Auch Giovanni Casanova gehörte zu den großen Reisenden des 18. Jahrhunderts, die zahlreiche Stereotype über Osteuropa verbreiteten. In seinen Tagebüchern beklagte er vor allem die Kälte in St. Petersburg und in Warschau, verbreitete aber gleichzeitig eines der wenigen positiven Klischees über Russland und Polen: das von deren schönen Frauen. Nachdem er eine minderjährige Tochter eines Leibeigenen zu mehr als Haushaltsdiensten hatte verführen wollen, musste Casanova Russland verlassen.

In den Vysegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) haben nur siebenhunderttausend Menschen 1998 die konkrete Absicht geäußert, in die EU-Staaten abzuwandern. Das haben Untersuchungen des Berliner Bevölkerungswissenschaftlers Rainer Münz und des Wiener Geographen Heinz Fassmann ergeben. Es handelt sich dabei überwiegend um qualifizierte Arbeitskräfte, also just die Zielgruppe der Green-Card-Initiative. Mehr als die Hälfte dieser Menschen will aber gar nicht auf Dauer, sondern nicht länger als fünf Jahre im EU-Ausland bleiben.

Ein Argument für die Migration aus den EU-Beitrittsländern ist das Wohlstandgefälle zur EU. Die Unterschiede der Verdienste mindern sich stark, wenn nicht in Euro oder Dollar gerechnet wird. Berücksichtigt man die Kaufkraftunterschiede der Landeswährungen, ist vor allem das Gefälle von Polen und Tschechien zu den fünf Bundesländer auf dem Gebiet der früheren DDR weit geringer, als es auf den ersten Blick erscheint. PT