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Ein Bollwerk auf dem Balkan

Bei der Asylpolitik ist die EU gespalten: Deutsche, Briten und Italiener wollen Polizisten in die Transitländer schicken, Schweden setzt auf Prävention

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Die EU-Innen- und Justizminister, die in den letzten beiden Tagen in Stockholm zusammensaßen, haben von dem Treffen ganz unterschiedliche Botschaften mit nach Hause gebracht. Auf der Tagesordnung stand Asylrecht und Kampf gegen Menschenschmuggel. Wer hinterher mit Teilnehmern sprach, bekam den Eindruck, sie seien auf verschiedenen Veranstaltungen gewesen.

Einig ist die schwedische Präsidentschaft mit den 14 anderen Staaten nur darin, dass die Asylbedingungen in der EU vereinheitlicht werden müssen, um das „Asyl-Shopping“ zu unterbinden. Damit ist gemeint, dass Flüchtlinge derzeit das Land mit den günstigsten Bedingungen auswählen und so die Lasten in der EU ungleich verteilt sind.

Während aber die Schweden auf gemeinschaftliche Mindeststandards für Flüchtlinge drängen, sorgt sich der deutsche Innenminister darum, dass die strengen deutschen Asylbestimmungen durch eine EU-Regelung aufgeweicht werden könnten. Während es den Schweden vor allem darum geht, die Fluchtgründe in den Herkunftsländern zu bekämpfen und verstärkt mit den Behörden der Durchreiseländer zusammenzuarbeiten, setzen vor allem Briten, Deutsche und Italiener auf härtere Strafen für Schleuser und EU-Polizeipräsenz auf den Fluchtrouten.

Der britische Innenminister Jack Straw will eine Harmonisierung des Asylrechts nach deutschem Muster: Flüchtlinge, die aus so genannten „sicheren Drittstaaten“ kommend in der EU einen Asylantrag stellen wollen, sollen schon an den Außengrenzen zurückgewiesen werden. Nach britischen Angaben sind von den im letzten Jahr auf der Insel gelandeten fast 100.000 Asylbewerbern die meisten über Frankreich eingereist. Würde Paris das Prinzip des sicheren Drittlands anwenden, stünde die Mauer der Festung Europa nicht länger am Ärmelkanal, sondern im Hafen von Marseille. Flüchtlinge aus dem Kongo etwa, die über das Mittelmeer nach Frankreich kommen, müssten dann zum Beispiel im Durchreiseland Tunesien einen Asylantrag stellen.

Großbritannien ist deshalb derzeit so beliebt bei illegalen Migranten, weil der Oberste Gerichtshof 1999 entschieden hat, dass ihr Asylantrag auf der Insel bearbeitet werden muss. Das Gericht war der Meinung, das auf dem Kontinent übliche Verfahren könnte zu einer Kettenabschiebung führen, an deren Ende der Flüchtling wieder im Ausgangsland der Flucht landet. Im Klartext bedeutet das: Während der britische Innenminister die Bedingungen für Flüchtlinge weiter verschärfen möchte, glaubt das oberste britische Gericht schon jetzt nicht, dass ein Schutzsuchender in Schengenland die Hilfe bekommt, die ihm nach der Genfer Konvention zusteht.

Pekka Johansson, Sprecher der schwedischen Ministerin für Einwanderung und Asyl, distanziert sich höflich aber bestimmt von dem britischen Konzept. Schweden werde zwar am Montag in London an dem Arbeitstreffen teilnehmen, wo über den Einsatz von EU-Einwanderungs- und Polizeibeamten in den am meisten genutzten Transit-Ländern wie etwa den Balkanstaaten diskutiert werden soll. Die Sorge aber müsse den Opfern von Menschenhandel gelten, nicht der Abschottung gegen jede Art von Immigration.

Nach schwedischen Informationen wird jährlich eine halbe Million Frauen und Kinder in die EU verschleppt. Die Hälfte wird über das ehemalige Jugoslawien eingeschmuggelt. Deshalb bemüht sich die schwedische Präsidentschaft, die für Migration und den Westbalkan zuständigen Arbeitsgruppen im Rat, die Justizexperten aus der EU-Kommission und Mitarbeiter des Balkan-Stabilitätspaktes an einen Tisch zu bekommen. Gemeinsam sollen sie ein Patenkonzept erarbeiten: Polizei und Einwanderungsbehörden in Albanien, Kroatien und den anderen Balkanstaaten sollen Betreuer aus EU-Staaten zur Seite gestellt werden. Die Beitrittskandidaten sollen ihre Erfahrung beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen beisteuern. Mit den Plänen des britischen Innenministers, ein vorgelagertes Bollwerk gegen Immigration auf dem Balkan zu errichten, hat dieses auf Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe gegründete Konzept wenig gemeinsam.

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