: Kleine Ökonomie der Truppe
Die Bundeswehr muss sparen – darbt jetzt die Volkswirtschaft? Militär und Rüstung haben wirtschaftlich keine entscheidende Bedeutung
von ANNETTE JENSEN
Regen lebt von der Bundeswehr und vom Tourismus. Stünde der kleine Ort im Bayrischen Wald auf Scharpings Streichliste, würden hier etwa die Hälfte der Umsätze wegbrechen. Auch an einigen der zur Schließung anstehende 59 Standorte, ist die Armee ein ökonomisch bedeutender Faktor: Der Bäcker beliefert die Kaserne, die Rekruten amüsieren sich in der Disko, und Zivilangestellte verdienen ihren Lebensunterhalt beim Militär.
Doch aufs ganze Land bezogen ist die volkswirtschaftliche Bedeutung der Bundeswehr eher gering. Während die – größtenteils unproduktiven – Verteidigungsausgaben in den 60er-Jahren noch eine Höhe von etwa fünf Prozent des Bruttosozialprodukts erreichten, sanken sie insbesondere seit 1988 deutlich ab. Je nach Rechnung betragen die Militärausgaben heute zwischen 1,1 und 1,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. In Frankreich liegt diese Quote etwa doppelt so hoch.
Für den Staatshaushalt stellt der Verteidigungsetat mit 47 Milliarden Mark dagegen eine der größten Kostenstellen dar. Das Bonner International Center For Conversion (BICC) geht davon aus, dass die volkswirtschaftlichen Kosten mit über 60 Milliarden Mark sogar deutlich höher liegen: Schließlich sind die Wehrpflichtigen in dieser Zeit schlecht bezahlt und steigern das Bruttosozialprodukt also nicht so, wie sie es sonst tun würden.
Mehr Geld!
Eine zunächst erstaunliche Allianz von Militärs, Bündnisgrünen und Rüstungsindustrie geht davon aus, dass es bei der Finanzierung der Bundeswehr auch nach der Reform ein deutliches Missverhältnis von Investitionen und Personalkosten gibt. Das Equipment der Bundeswehr gilt in vielen Bereichen als veraltet. Etwa 11,2 Milliarden Mark, das sind knapp 24 Prozent des Etats, werden in diesem Jahr für Investitionen ausgegeben. Die Personalkosten summieren sich dagegen auf 24,2 Milliarden Mark. Als angemessen wird dagegen allgemein ein Investitionsanteil von 30 Prozent angesehen.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom vergangenen Frühjahr gibt es in der Bundeswehr einen Modernisierungsstau von 20 Milliarden Mark. Der wird nach der halbherzigen Reform weiter zunehmen. Denn die beschlossene Truppenstärke von 282.000 SoldatInnen wird auch künftig dafür sorgen, dass der größte Teil des Verteidigungshaushalts für Personal ausgegeben werden muss – es sei denn, der Etat wird deutlich aufgestockt.
Das fordern – wen wundert’s – die Militärs. Gegen einen weiteren Personalabbau spreche, dass Deutschland schon jetzt einen deutlich geringeren Anteil der Bevölkerung unter Waffen hat als andere Nato-Länder. Würde sich Deutschland am Nato-Durchschnitt orientieren, so müssten 350.000 bis 400.000 Männer und Frauen in der Bundeswehr Dienst tun. Der deutsche Verteidigungshaushalt sei zu klein, meinen viele Bundeswehrvertreter. Um einem statistischen Vergleich mit den USA standzuhalten, müssten 110 Milliarden Mark aufgewandt werden. Und selbst im Nato-Durchschnitt stünde Deutschland am unteren Ende.
Ottfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlatische Sicherheit (BITZ) hat ausgerechnet, dass die mittelfristige Finanzplanung des Verteidigungsministeriums in Höhe von 43,6 Milliarden Mark nur dann einzuhalten ist, wenn es eine Freiwilligenarmee von 200.000 Mann geben würde. In diesem Fall wäre auch eine Modernisierung machbar. Das jetzt beschlossene Modell wird hingegen realistischer Weise 51 bis 53 Milliarden Mark kosten, wenn die Ausrüstung der Bundeswehr nicht völlig veralten solle. Auch Jürgen Schnell, Professor an der Bundeswehruni in München schreibt: „Die neue Struktur ist mit den vorgesehenen Finanzmitteln nicht angemessen finanzierbar. Absehbar ist ein Fehlbetrag von durchschnittlich ca. 2 Milliarden Mark jährlich, gerechnet über die kommenden zehn Jahre.“
Weniger Soldaten!
Die verteidigungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Angelika Beer, plädiert für einen massiven Personalabbau auf 150.000 bis 200.000 Soldaten, um eine moderne und kostengünstige Armee zu bekommen. „Die heutige Verteilung der materiellen und finanziellen Ressourcen auf die Teilstreitkräfte der Bundeswehr und deren Ausrüstung geht auf Entscheidungen und Notwendigkeiten der Fünfzigerjahre zurück“, schreibt Beer in ihrem Grundsatzpapier. Da militärisch nicht mehr damit zu rechnen sei, dass ein massiver Angriff von Panzern abgewehrt werden müsse, sei ein kräftiger Personalabbau vor allem beim Heer angesagt.
Die Rüstungsindustrie hält sich auffällig zurück, wenn es um die Darstellung ihrer wirtschaftlichen Bedeutung geht. Einen Unternehmensverband, wie ihn selbst die Essigessenzhersteller haben, gibt es hier nicht. Lediglich eine Arbeitsgruppe beim Bundesverband der Deutschen Industrieist zuständig für die Verteidigungswirtschaft.
Der Umsatz der wehrtechnischen Industrie betrage 12 bis 18 Milliarden Mark, lautet die vage Auskunft des Arbeitsgruppensprechers Frank Goldammer. Während Anfang der 90er-Jahre noch etwa 280.000 Menschen durch die Produktion von Rüstungsgütern ihren Lebensunterhalt verdienten, sollen es jetzt noch etwa 90.000 sein. Indirekt hingen dann wohl an jedem Arbeitsplatz noch einmal 1,5 weitere Jobs, schätzt Goldammer. „Doch die ganz große Transparenz ist in dem Bereich nicht gegeben“, räumt der BDI-Mann ein. Hoffnung setzen viele zivile Wirtschaftsunternehmen im Moment auf die Bundeswehr als Kunden. Denn der im vergangenen Jahr abgeschlossene Rahmenvertrag sieht vor, dass die Bundeswehr einige Aufgaben outsourcen wird.
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