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Alles läuft bestens. Alle sind froh

Doch dann blüht plötzlich eine weiße Wasserlilie im rechten Lungenflügel: Go Riju gibt sich in seinem Wettbewerbsbeitrag „Chloé“ ein bisschen zu weichzeichnerisch. Einige zeichnen Comics, manche diskutieren. Die meisten sind nur sehr verliebt

von DETLEF KUHLBRODT

Liebesfilme sind problematisch. Nicht so sehr, weil ihr Pathos so gerne Liebe und Tod zusammenbringt, damit die Liebe umso schöner und stärker erscheint und den Tod auch überwindet, wie in der christlich-abendländischen Tradition so üblich, sondern weil Liebesfilme eben so leicht in weichgezeichnete Bilder schöner Gesichter abrutschen, die man eigentlich nicht mehr ernsthaft verwenden kann, weil sie längst von gewissenlosen Werbeverbrechern enteignet wurden.

Der japanische Regisseur Go Riju hat sich für seinen Wettbewerbsbeitrag „Chloé“ von einer längst klassischen euopäischen Liebesgeschichte leiten lassen – Boris Vians „Schaum der Tage“ – und die Handlung ins gegenwärtige Tokyo verlegt.

Kotaro, ein junger, eher ordentlicher Mann mit bohemistischen Freunden, und Kuroe, eine junge, superschöne Frau, die weder Verwandte noch Freunde hat, treffen einander auf einer Kunstausstellung und verlieben sich auf den ersten Blick. Alles läuft bestens, und die Szene, in der sie einander am Rande einer eher tristen Shopping-Mall ihre Liebe gestehen, ist sehr schön, weil die Liebenden so angenehm lange schüchtern herumstehen, bevor sie mit schönen Augen versichern, einander nie mehr verlassen zu wollen.

Dann wird im Kreis der bohemistischen Freunde Kotaros geheiratet. Alle sind fröhlich, und Kotaro schenkt seinem Freund Eisuke viel Geld, damit der seine Schulden begleichen kann. Eisuke ist hoch verschuldet, weil er sein ganzes Geld für die Werke des Kultautors Kitano ausgegeben hat, der auf interessante Weise Vians Sartreparodie nachempfunden zu haben scheint, möglicherweise auch eine Variation des französischen Superstars Vian darstellt. Er zeichnet jedenfalls Comics, wenn ich’s richtig verstanden habe, findet es absurd, dass Menschen für ein Kleenex von ihm Hunderttausende ausgeben und propagiert existenzialistische Werte.

Ein schwuler Barbesitzer mit Wasserstoffhaaren und ein seltsamer christlicher Priester, der mit seinen langen schwarzen Haaren eher subkulturell wirkt , sind auch dabei, sowie Diskussionen in Bars über das richtige Leben, und ab und an taucht ein kleiner herrenloser Junge auf.

Dann zieht das Liebespaar in eine neue Wohnung, beide strahlen sich ständig an und das Ramaglück könnte so weitergehen, wenn es nicht zu Problemen kommen würde, die andererseits zum Ramaglück vermutlich längst dazu gehören: Kuroe hat gesundheitliche Probleme. Am Strand bricht sie plötzlich zusammen. Beim Röntgen kommt raus, dass eine weiße Wasserlilie in ihrem rechten Lungenflügel wächst. Die wird entfernt und mit nach Haus genommen; dann wächst die nächste im linken Lungenflügel. Da kann man nichts mehr machen.

Ihr Mann entdeckt jedoch, dass Blumen das Wachsen der Lilie behindern und kauft so viele davon, dass das Krankenzimmer seiner Frau zwar großartig aussieht, allein er verschuldet sich völlig und möchte das Geld wiederhaben, das er seinem Freund gegegeben hatte, was zu Konflikten führt und irgendwann auch dazu, dass der Kultautor Kitano sein Leben lassen muss.

So weit, so gut, so symbolisch und am Ende, bei der angenehm beiläufig inszenierten Beerdigung der Heldin muss man fast ein wenig weinen, wie bei jedem ordentlichen Liebesfilm. Nur schade eben, dass der Regisseur Go Riju in seinem im Grunde genommen sehr schönen Film, in dem die nächtlichen Scheinwerfer der Autos in einer Szene so wunderbar leuchten, doch ein bisschen viel Weichzeichner verwendet hat.

„Chloé“. R: Go Riju, Japan, 128 Min.

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