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An vorderster Front im Krieg

Dem kroatischen General Mirko Norac wird die Beteiligung an Kriegsverbrechen vorgeworfen

von ERICH RATHFELDER

Über 150.000 Menschen gingen für Mirko Norac am Sonntag auf die Straße: in Split, in Osijek, in Varazdin. Der kroatische General ist zum Kristallisationspunkt für eine Bewegung geworden, die sich gegen den Reformkurs der seit einem Jahr amtierenden sozialdemokratischen Regierung stellt. Die demokratische Öffnung Kroatiens, die eine Zusammenarbeit mit dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal einschließt, stößt auf Widerstand.

Vielleicht ist Mirko Norac in nationalistischen Kreisen so populär, weil seine anfängliche politische Biografie der vieler kroatischer Frontkämpfer gleicht. Der 1967 in dem nahe der nördlichen Küste Kroatiens gelegenen Dorf Otok geborene Norac meldete sich als Freiwilliger, als es zu bewaffneten Aktionen der jugoslawischen Armee und serbischen Freischärler im Frühjahr 1991 kam. Zuerst diente er bei der kroatischen Spezialpolizei, dann schloss er sich im Sommer 1991 der sich formierenden kroatischen Armee in Gospić an. Der Ort grenzt an die damals schon von Serben besetzte Landschaft Krajina. Hier war die militärische Lage äußerst gespannt – die serbischen Truppen eroberten ein Drittel der Fläche Kroatiens, und in der Kaserne des Ortes saßen die Soldaten der jugoslawischen Armee. Die Stadt aber wurde von den Kroaten gehalten. Es kam zu Straßenkämpfen und Übergriffen auf serbische Zivilisten. 100 Menschen sollen damals von den Kroaten ermordet worden sein.

Danach machte Norac Karriere. Die kroatische Armee brauchte „tatkräftige“ Leute. Und Norac gab in Gospić den Ton an. Bald war er Kommandeur der 109. Brigade. 1995, bei einer kroatischen Gegenoffensive, waren Norac’ Truppen an vorderster Front. Und so war es im Staate des ehemaligen Präsidenten Franjo Tudjman nur selbstverständlich, dass der verdiente Frontkämpfer zum General befördert wurde. Mit dem Machtwechsel in Kroatien im Januar 2000 sah seine Zukunft plötzlich düster aus. Norac sei an 40 Morden in Gospić beteiligt gewesen, behauptete ein Komitee aus Rijeka, das die Vorgänge von Gospić untersucht. Norac und andere Generäle gerieten noch mehr ins Zwielicht, nachdem ein Hauptzeuge ermordet wurde und sie mit einem Brief an Präsident Stipe Mesić den „vaterländischen Krieg“ verteidigten. Vor zwei Monaten wurden Korac und 19 andere Generäle aus der Armee entlassen. Es wurde bekannt, dass auch Den Haag ermittelte. Als Norac letzte Woche zu einem Gespräch vor die Staatsanwaltschaft in Rijeka zitiert wurde, zog er es vor unterzutauchen.

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