Sonst droht ein Ministerrücktritt

Bei der Reform der Mitbestimmung setzen alle Beteiligten auf Konsens. Auch die Grünen wollen zwischen Wirtschafts- und Arbeitsminister vermitteln. Spätestens zur morgigen Kabinettssitzung soll der einheitliche Entwurf stehen

BERLIN taz ■ Die CDU kam ein bisschen spät, als sie gestern schnell noch ein eigenes Mitbestimmungsmodell vorstellte. Für Vorschläge von außen dürften weder Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) noch Arbeitsminister Walter Riester (SPD) noch ein offenes Ohr haben. Die beiden Kontrahenten befinden sich längst in einem Countdown, der zum Showdown führen könnte. Denn wenn morgen im Kabinett kein Entwurf zum Betriebsverfassungsgesetz vorliegt, mit dem beide leben können, droht ein Rücktritt.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zeigte sich jedoch überzeugt, dass es nicht nur noch darum gehe, wer das bessere Sitzfleisch habe. Zwar lud er die beiden Minister vorsorglich für heute Abend zum letztmöglichen Einigungstermin, er sagte aber auch, er glaube fest daran, dass Riester und Müller einen Kompromiss finden könnten – möglicherweise schon bei einem erneuten Krisengespräch, das für gestern Abend angesetzt war. Riester selbst sagte: „Ich möchte eigentlich nicht den Kanzler bemühen.“

Bei einem ersten offiziellen Treffen am Freitag hatten die beiden Minister Müllers Kritikkatalog von 26 auf 3 Kernpunkte reduzieren können. Dabei geht es um die Vereinfachung des Wahlverfahrens für kleine Betriebe, die erleichterte Freistellung von Betriebsräten und ihre erweiterten Mitbestimmungsmöglichkeiten. Bei der Bildung von Konzernbetriebsräten, die nach dem Entwurf obligatorisch werden sollen, um zu vermeiden, dass einzelne Betriebe ohne Mitbestimmung bleiben, hat Riester dagegen offenbar nachgegeben. Wie die deutsche Financial Times meldete, soll der Zusatz über den „Konzernwirtschaftsausschuss“ gestrichen worden sein, in dem Beschäftigte und Arbeitgeber über wirtschaftliche Angelegenheiten auf Konzernebene beraten sollen. Ähnlich wackelig soll die Mitsprache bei Änderungen der Arbeitsorganisation sein.

Als Vermittler boten sich ausgerechnet die Grünen an, die zuvor ganz unterschiedliche Positionen zum Referentenentwurf vertreten hatten. Fraktionschefin Kerstin Müller ließ durchblicken, man könne beim vereinfachten Wahlverfahren auf ein Quorum eingehen, das aber „kein Verhinderungsquorum sein darf“. Nach dem Reformentwurf sollen Kleinbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigten künftig auf das langwierige und teure Verfahren mit Wahlvorstand und diversen Fristen verzichten und den Betriebsrat stattdessen auf einer Betriebsversammlung wählen dürfen. Wirtschaftsminister Müller hatte befürchtet, dass dadurch wenige Beschäftigte einen Betriebsrat wählen könnten, der „von allen anderen nicht gewollt wird“. Der Minister forderte daher eine Mindestwahlbeteiligung von 35 Prozent. Kerstin Müller schlug 10 Prozent vor, was im Wirtschaftsministerium für ein neues Gebot bei 30 Prozent sorgte.

Urheberin dieser Zahl war die grüne Staatssekretärin Margareta Wolf, die auch noch einen weiteren Ansatz aufzeigte: Der Entwurf sieht vor, schon bei Betrieben ab 200 statt ab 300 Beschäftigten einen Betriebsrat frei zu stellen. Wirtschaftsminister Müller hatte bemängelt, dass das zu teuer käme. Wolf regte an, sich bei 250 zu treffen.

Bei dieser intensiven Konsenssuche trat die erneute Fundamentalkritik von Wirtschaftsverbänden in den Hintergrund, die „dem Hause Riester arbeitsrechtliche Regulierungswut entsprechend den gewerkschaftlichen Ideologien“ vorwarfen. Das gleiche gilt für das neue Modell der CDU, das Angela Merkel gestern vorstellte und das ein Sammelsurium verschiedener früherer Vorschläge der unterschiedlichsten Seiten darstellt: Es beinhaltet neben ernsthaften Verbesserungen der Arbeit von Betriebsräten und einer Mitbestimmung von Jugendlichen in außerbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen vor allem die Forderung, dafür die Wirkung des Tarifvertrags einzuschränken.

BEATE WILLMS

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