fragen sie frau carola: maklers blues:
von CAROLA RÖNNEBURG
Die Korrespondenz einer Kummerkastentante folgt einem altbewährtem Muster: Verzweifelte Mitmenschen schildern mir ihr Problem, ich antworte. Dass danach alles gut ausgegangen ist, belegen zahlreiche Dankschreiben aus aller Welt. „Unsere Wohnung ist voller Pokémons“, beklagte sich Herr A. aus D., „Pokémon-Poster, Pokémon-Aufkleber, Pokémon-Unterhosen ... und überall liegen Pokémon-Karten herum, deren Reihenfolge man nicht durcheinander bringen darf. Ich werde noch wahnsinnig!“
„Lieber Herr A.“, schrieb ich zurück, „Sie müssen diesem Spuk wirklich ein Ende bereiten. Mein Rat: werden Sie Pokémon-Experte. Studieren Sie nachts die Sammelkarten. Prägen Sie sich die Namen der Pokémons ein. Achten Sie dabei unbedingt darauf, aus welcher Figur das Pokémon hervorgegangen ist, und bringen Sie keine Karten durcheinander. Sprechen Sie dann eine Woche lang über nichts anderes und korrigieren Sie Ihren Nachwuchs bei jeder Gelegenheit. Legen Sie sich ein Lieblings-Pokémon zu, dass aber auf keinen Fall Relaxo sein darf. Mew oder Lugia sind besser.“ Selbstverständlich hatte diese Methode Erfolg; derzeit bereitet sich Herr A., wie er mir in seinem Dankschreiben mitteilte, „sicherheitshalber auf die Digimons vor. Die sind auch viel interessanter.“ Na also.
Es gibt aber auch Geschichten ohne gutes Ende. Das passiert meist, wenn sich der Korrespondenzablauf ändert – wenn nämlich ich zuerst schreibe. „Sehr geehrter Herr H.“, begann ich vor kurzem einen Brief, „Sie sind Makler und bieten im Rahmen Ihrer nebenberuflichen Tätigkeit als Hausverwalter auch courtagefreie Wohnungen an. So eine hätte ich gern, am liebsten mit Badewanne und Gasherd.“
Die Antwort von Herrn H. kam prompt: „Sehr geehrte Frau Rönneburg, gehen Sie einem Beruf nach? Sicherlich – und sicherlich auch erhalten Sie für Ihre Arbeit Geld und empfinden das als selbstverständlich. Die Geringschätzigkeit, mit der die Arbeit von Maklern in der Öffentlichkeit betrachtet wird, ist leider aus Sicht eines korrekten Wohn- und Gewerberaumvermittlers, der einen kostenintensiven Büroapparat, Personal, Werbeaufwand und Kontakte zu Kunden und Auftraggebern pflegt, nicht nachvollziehbar. Wenn ich Ihre Zeitung erwerbe – ich war viele Jahre Abbonnent – zahle ich gern und selbstverständlich den Kaufpreis dafür. Daher verstehe ich die Zeile ‚courtagefrei‘ in Ihrem Anforderungsprofil nicht.“ – usw. usf.
Der neue Korrespondenzablauf, der mir so gar nicht gefallen will, sieht wohl einen weiteren Brief meinerseits vor: „Sehr geehrter Herr H.! Ja, ich gehe einem Beruf nach – aber einem anständigen. Deshalb kann ich mir drei Monatsmieten Courtage auch nicht leisten. Ich verstehe übrigens Ihre Zeile ‚wenn ich Ihre Zeitung erwerbe‘ nicht: Müssen Sie Sie sich etwa ordentlich angezogen mit weiteren 60 Interessenten vor dem Kiosk drängeln und ein würdeloses Schauspiel um die Gunst des Verkäufers aufführen, um eine Ausgabe zu erhalten? Sicher nicht – und Abonnent schreibt sich übrigens mit einem b.“ Ein Dankschreiben hätte ich viel lieber aufgesetzt.
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