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Süchtig nach Wahlkampf

■ Die Drogenpolitik des Senats dient der CDU in der Bürgerschaft nur als Vorwand

Hamburgs CDU, so scheint es, ist der Wahlkampfsucht erlegen. Die offene Drogenszene in Hamburg, „dem europäischen Paradies des Drogenhandels“, müsse endlich aufgelöst werden, forderte deren Gesundheitspolitiker Dietrich Wersich. Sonst sei keine „neue Drogenpolitik“ möglich. Wie die aussehen soll, sagte Wersich zwar nicht. Dafür vergriff der 36-jährige Mediziner, der bislang als liberal und differenzierungsfähig galt, sich nachdrücklich am Wort: Es müsse Schluss damit sein, „dass junge Schwarzafrikaner in Markenklamotten Drogen verhökern an ausgemergelte und elende Abhängige“. Sein Glück, dass er das Gegensatzpaar Neger – Deutsche gerade noch vermied.

Schelte war ihm dennoch sicher. „Mensch, Wersich“, wunderte sich Lutz Jobs vom Regenbogen, „sie waren doch bisher zu ernsthaften Debatten fähig.“ Es gebe keine Alternative zu einer „an Hilfe für die Abhängigen orientierten Politik“. Die freilich vom rot-grünen Senat „nur unzureichend“ umgesetzt worden sei und unter den „repressiven Vorzeichen“ verstärkter polizeilicher Vertreibungsmaßnahmen.

Zur Ernsthaftigkeit mahnte der grüne Arzt Peter Zamory, der das Problem illegaler Drogen „für eine Folge der Prohibition“ hält. Zudem für ein „geringes“ im Vergleich zwischen bundesweit etwa 80.000 toten Ex-Rauchern und 1200 Drogentoten im Vorjahr. Und die würden in Hamburg immer weniger. Mit etwa 100 Drogentoten im vorigen Jahr wurde der Tiefststand erreicht, so Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD). Die im Gegensatz zum Bundestrend „seit Jahren sinkende Tendenz ist eines der wichtigsten Merkmale guter Drogenpolitik“.

Was denn der christdemokratische Fraktionschef Ole von Beust ernsthatft bezweifeln wollte: „Jede Härte gegen Dealer“, forderte der Mann, der zu und zu gerne Bürgermeister werden will. Und diese Position werde die CDU weiterhin deutlich machen, „damit Menschen am 23. September die richtige Entscheidung treffen“. Womit er den wahren Grund verriet, warum die Union diese Debatte für die Aktuelle Stunde angemeldet hatte.

Sven-Michael Veit

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