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Schulstreik links der Weser

■ Eine neue Stadtteil-Gesamtschule in Obervieland will die SPD, ein neues Gymnasium Neustadt die CDU. Drei Schulklassen, die auf der Straße stehen, dienen als Faustpfand

„Das ist unser Wahlkampfthema“, freut sich der Obervieländer SPD-Abgeordnete Winfried Brumma. „Das ist mit der CDU nicht zu machen“, sagt der Neustädter CDU-Politiker Jörg Jäger. Die beiden Koalitionspartner sind sich also einig – im Streit.

Es geht um die Schulpolitik auf der linken Weserseite. Während auf der rechten Weserseite mehrere Gymnasien um den besseren Weg zum Abitur nach 12 Jahren wetteifern, laufen den Schulzentren der Neustadt die Gymnasial-Schüler weg. In diesem Schuljahr findet am Schulzentrum Kornstraße im 7. Jahrgang keine Gymnasial-Klasse statt, das stellt die Schulzentrums-Idee in Frage.

Aber nicht nur das ist das Problem auf der linken Weser-Seite, nackte Raumnot herrscht. 1999 war das Schulzentrum Huckelriede gegen den erbitterten Protest der Schüler geschlossen worden, nun tauchen in den Statistiken der Bildungsbehörde ganz plötzlich hunderte von 10-jährigen Kindern auf. Sie haben ein Recht auf Schule und für sie fehlen die Räume. Die Neubautätigkeit in Oberneuland führt, für die Bildungsplaner überraschend, zu der höheren Schülerzahl, aber auch in den alten Wohngebieten scheinen seit Jahren vermehrt jüngere Familien mit Kindern einzuziehen.

Das ist das Problem, seit Monaten wird es hin- und hergewendet. Anfang der Woche präsentierte der Bildungssenator seine Lösung. „Wenn die Deputation das nicht am Donnerstag beschließt, stehen wir vor einem Desaster“, drohte die Schulrätin Christel Hempe-Wankerl am Dienstag abend vor dem Beirat Obervieland.

Mit dem Zeitdruck sollte die CDU nach allen Regeln der Kunst taktisch ausmanövriert werden. Aber die lässt sich so leicht nicht über den Tisch ziehen: Die Beschlussvorlage wird „gekippt“, versicherte auch CDU-Bildungspolitiker Klaus Bürger gestern.

Der Plan der Bildungsbehörde: Für die Fünftklässler aus Obervieland soll das frühere Schulgebäude Theodor-Billroth-Straße wieder genutzt werden. Denn die SPD hat schon intern geklärt, dass aus der „Schule in Gründung“ es eine Stadtteil-Gesamtschule werden soll. Eine Differenzierung in Haupt-, Realschul- und Gymnasialklassen ist bei der geringen Jahrgangsbreite von ca. 75 auch kaum praktikabel.

Das Schulzentrum Huckelriede soll, wenn die vorübergehend darin untergebrachte Hochschule im Jahre 2002 wieder ausgezogen ist, die beiden unter Gymnasial-Schwund leidenden Neustädter Schulzentren Kornstraße und Gottfried Menken-Straße vereinen. Da das Schulgebäude aber dafür zu klein ist, könnten zehn Klassenverbände an der Theodor-Billroth-Straße untergebracht werden. Dort soll es für 4,5 Millionen Mark aus dem Stadtreparaturfonds einen Anbau geben.

Geld für den Anbau ist also nicht da, interpretiert der CDU-Haushaltsexperte Rolf Herderhorst diese Finanzierungsidee – der Stadtreperaturfonds ist für Reparatur da und nicht für Neubau-Projekte. Das Problem sei ein ganz anderes, diagnostiziert der CDU-Abgeordnete Jäger die Lage: „Jedes Jahr flüchten etwa 100 Schüler von der linken Weserseite in Innenstadt-Schulen.“ Das Schulzentrum Delmestraße hat den Antrag gestellt, ein durchgängiges Gymnasium zu werden. Das, so Jäger, wäre eine Antwort auf das Problem. Für die CDU gibt es weder den Zwang, die Kulturinitiativen des „KATT“ aus dem Schulgebäude Theodor-Billroth-Straße zu verdrängen noch einen teuren Anbau zu finanzieren.

Die CDU will sich dadurch nicht unter Druck setzen lassen, SPD-Bildungskonzepte abzusegnen. Wenn 10-jährige Schüler in Stärke dreier Schulklassen vorerst auf der Straße stehen, planerisch gesehen, habe das „allein die Bildungsbehörde zu verantworten“, wehrt sich Klaus Bürger. K.W.

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